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Donnerstag, 13. April 2017

Geschichten um Marktls berühmtesten Sohn

Bürgermeister Herbert Gschwendtner spricht über seine Erlebnisse mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI

von Uli Kaiser

MARKTL. Marktls Bürgermeister Hubert Gschwendtner blättert im Korrekturabzug eines kleinen Büchleins. Es ist ein Geschenk für den emeritierten Papst Benedikt XVI., der am 16. April 90 Jahre wurde. Joseph Ratzinger ist der berühmteste Sohn der kleinen Gemeinde, die Weltruhm erlangte, als der Bayer am 19. April 2005 zum Pontifex gewählt wurde. Anlässlich des Geburtstages des seit 2013 zurückgetretenen Papstes erinnert sich Hubert Gschwendtner an Begegnungen und Geschichten rund um die spektakulärste Zeit, die Marktl jemals erlebt hat.

ISK: Sie kennen den emeritierten Papst seit 1986. Wie würden Sie ihn beschreiben?

Hubert Gschwendtner: Der Grund für das erste Treffen war ein Besuch im Gemeinderat 1986. Er war schon Chef der Glaubenskongregation und ich Gemeinderat. Meine Vorstellung von ihm fußte darauf,  eher auf einen eher kaum nahbaren Menschen zu treffen. Im Wirklichkeit ist Benedikt XVI. ganz anders. Er geht auf Menschen zu, hört ihnen zu. Er kann sich auf das einlassen, was sie ihm sagen. Joseph Ratzinger ist sehr angenehm in der Diskussion, hochgebildet, sprachgewandt. Er hat aber auch klare Vorstellungen, die er argumentieren und klar vertreten kann und dies auch tut.

ISK: Sie tauschen sich mit Joseph Ratzinger mittels Briefen aus. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Hubert Gschwendtner:  Er ist sehr gentlemenlike und antwortet sehr persönlich. Als er seinen Rücktritt bekanntgab, konnte ich erst einige Wochen später antworten, weil ich ein neues Knie bekam. Er ist zuerst direkt auf diese Sache eingegangen und hat sich auch gleich nach meiner Frau erkundigt, die er auch kennengelernt hat. Außerdem ist Joseph Ratzinger sehr heimatverbunden und hat eine enge Bindung zu seinem Geburtsort. „Hier hat alles angefangen.“ Das ist der Titel unseres Geschenkbuches zum 90. Geburtstag. Diese Worte sind ein Zitat von ihm, das direkt auf Marktl bezogen ist. Deshalb hat er sich auch sehr über die Ehrenbürgerwürde gefreut. Das war am 13. Juli 1997, anlässlich seines 70. Geburtstages.

ISK: Sie besuchten einige Male Rom. Ich möchte auf den ersten und auf den letzten Besuch eingehen. Welche Erinnerungen sind geblieben?

Hubert Gschwendtner:  1997 waren wir zum Gegenbesuch in Rom. Der damalige Kurienkardinal hat uns eine Privataudienz bei Johannes Paul II. ermöglicht. Wir hatten wirklich Zeit, uns gut zu unterhalten. Das war sehr berührend, interessant und außergewöhnlich. Der spätere Papst hielt für uns eine Messe am Petrusaltar im Untergeschoss des Petersdomes ab. Als ich das letzte Mal bei ihm war, lebte er schon deutlich zurückgezogen im umgebauten Kloster. Das ganze Umfeld war sehr entspannt und sehr privat. Man merkte, dass er nicht mehr im Amt ist und damit nicht mehr auf besondere Regeln achten muss.

ISK: Für ihre Gemeinde Marktl war der Papsthype enorm. Wie bewerten Sie das, was bleibt?

Hubert Gschwendtner: Ich wollte immer, dass wir etwas Nachhaltiges schaffen. Das ist uns mit dem Geburtshaus gelungen. Zum Glück hat es die Diözese mit Gel-dern eines Industriellen und mit Mitteln des Landes erworben. Das Haus findet breiten Anklang. Hier können die Besucher auf besondere Weise mit dem Lebenswerk Benedikts XVI. in Verbindung treten.

ISK: Ebenso wichtig war für Sie noch eine andere, schon fast his-torische Sache.

Hubert Gschwendtner: Wir hatten immer noch den Taufstein des Papstes bei uns herumstehen. Welcher Ort hat schon so etwas. Allerdings hatte er zwischenzeitlich ausgedient. Er stand im Garten des Pfarrhofes und wurde von der Pfarrersköchin höchstens zum Salatwaschen genutzt. Ich hatte später die Idee, den Taufstein wieder in die Kirche zu bringen. Schließlich gehören diese beiden Dinge zusammen und stehen für eine besondere Geschichte. Um dieses Ziel zu erreichen, führte ich harte Verhandlungen (lacht) mit dem Heimatbund, der ihn auch für seine Zwecke nutzen wollte. Jetzt steht er wieder an seiner angestammten Stelle. 

ISK: Marktl ist durch die Papstwahl weltberühmt geworden und in manchen internationalen Magazinen in deren Landkarte gleich neben München aufgetaucht. Welche anderen Formen von Vermächtnissen sind vom Papsthype geblieben?

Hubert Gschwendtner: Wir sind seit dieser Zeit offizieller Touristenort und können daher auch am Sonntag aufmachen. Dass der EDEKA 1.200 und nicht 900 Quadratmeter misst, ist auch ein Verdienst der ganzen Geschichte. Laut damaligem Landesentwicklungsplan wäre dies nicht möglich gewesen. Der Freistaat hat uns doch sehr geholfen. Allerdings erst, nachdem ich an Horst Seehofer einen sehr deutlichen Brief geschrieben habe. Bayern feiere zwar seinen bayerischen Papst, aber helfen mag es uns nicht. Das hat gewirkt. Wir bekamen einen Experten beigestellt. Alle notwendigen Maßnahmen und finanziellen Hilfen gingen unbürokratisch über die Bühne.

ISK: Welche Erinnerungen haben Sie an die Papstwahl?

Hubert Gschwendtner: Schon ein paar Tage vor der Wahl hatten wir Medienvertreter vor Ort. Joseph Ratzinger galt als Favorit. Ich selbst habe nicht so direkt daran geglaubt, wollte aber vorbereitet sein. Also war die Feuerwehr instruiert für Durchsagen und die Blasmusik bestellt. Letztendlich hat der Pfarrer eine spontane Messe gehalten und wir haben mit unseren Bürgern im Saal gefeiert. Die ganze Welt war mit ihren Medien zu Gast. Von Südamerika bis Japan. Am nächsten Tag hätte ich ganz normal in die Schule gemusst. Das ging aber gar nicht. So schickte ich meine Tochter als Vertretung. Sie war zwar noch nicht fertig, aber schon in einem höheren Semester. Ich selbst musste zwei Pressekonferenzen geben, weil so viele Journalisten da waren. Die nächsten knapp eineinhalb, zwei Jahre entwickelten sich gewaltig. Alle bei uns haben viele Überstunden geleistet. Ohne einen ganz tollen erfahrenen Medienberater wäre vieles nicht so einfach 
gegangen.

ISK: Wie hat sich der Hype bis heute entwickelt?

Hubert Gschwendtner: Am Anfang ist das kleine Marktl fast explodiert. Wir hatten keinerlei Souvenir. Also haben wir uns nach einem Gemeinderatsbeschluss provisorisch mit einem Bild von der Verleihung der Ehrenbürgerwürde geholfen. Wir haben dies in einem Copyshop vervielfältigt. Das war dann wenigstens etwas. Beim späteren Vermarktungshype kamen kuriose Sachen auf. Die Medien griffen nur das aus ihrer Sicht Negative auf. Als ich dann auch einmal festgestellt habe, dass es in anderen Orten auch nicht anders ist, waren manche beleidigt (lacht). Zwei, drei Jahre hatten wir jährlich rund 200.000 Besucher. Heute sind es noch immerhin rund 20.000. Alles ist ruhiger geworden. Das, was nachhaltig ist, bleibt. Der Rest ist wieder verschwunden.  

ISK: Die internationalen Beziehungen werden bleiben.

Hubert Gschwendtner: Die Beziehungen zu Wardowice, dem Geburtsort Johannes Pauls II., und zu Sotto il Monte, dem Heimatort Johannes XXIII. bleiben. Beide Orte sind auf uns zugekommen. Wir hätten noch mehr annehmen können, was aber aufgrund unserer begrenzten personellen Möglichkeiten nicht sinnvoll gewesen wäre.

ISK: Vielen Dank für dieses Gespräch.