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Donnerstag, 27. April 2017

Der Wöhrsee – eine geschaffene Lebensader

Der Burghauser Haussee diente zur Abwehr von Feinden,  als wichtiges Element für das Handwerk und zu guter Letzt der Erholung

von Uli Kaiser


REGION. Am 1. Mai startet wieder die Wöhrsee-Saison. Das Idyll am Fuße der längsten Burg Europas erfreut sich seit Jahren immer größerer Anziehungskraft. Der knapp 900 Meter lange See wird von einem kleinen Bach gespeist, der am Stacherl bei Heilig-Kreuz entspringt und von unterschiedlichen Seiten gespeist wird. Der kleine Bach spendet dem großen Wöhrsee derart viel Wasser, dass sich dieser zirka alle vier Wochen „runderneuert“.
Der Bach  floss lange vor dem Aufstauen des Wöhrsees knapp fünf Kilometer vor und durch Burghausen. Wie aus den Unterlagen des Stadtarchives, die unter anderem von Dr. Johann Dorner oder Gustl Geith zusammengefasst wurden, zu ersehen ist, war dieser bis zur Nutzung des elektrischen Stromes und dem Bau der Kanalisation die Hauptlebensader der alten Herzogstadt. Er diente der Energiezu- und Müllabfuhr.

Mühlen und Handwerker

Diese Lebensader nutzten unter anderem der Hammerschmied, vier Mühlen, eine Säge, eine Glockengießerei, ein Wagner, ein Schmied, neun Tuchmacher, sechs Lederer, ein Seiler, Bäcker, Brauer, ein Filzer und ein Schlachthaus für ihre Zwecke. Der Hammerschmied konnte seine „Nachbarn“ am Unterlauf zur Weißglut treiben, weil er die Wassermenge nach Belieben steuern konnte. So kam es regelmäßig zu Streitereien, weil die anderen Handwerker oftmals Probleme mit ihrer Produktion bekamen. 

Wöhrsee als Teil 
der Wehranlage

Der See, der allen Badenixen aus Nah und Fern heute viel Freude bereitet, existiert erst seit etwa 1330. Ein ganz genaues Datum für die Aufstauung gibt es nicht. Sicher scheint aber zu sein, dass die mittelalterlichen Menschen diesen nicht als Bademöglichkeit nutzten. Die meisten konnten nicht schwimmen und hassten kaltes Wasser. Dementsprechend logisch ist es auch, dass sich auch die herzöglichen Edelkörper kaum bis gar nicht in den kühlen Fluten tummelten. Der See wurde in den Originalunterlagen zunächst nur als „Wuer“ geführt. Das ist der Hinweis, dass das aufgestaute Wasser rein zur Abwehr von Feinden diente. Um 1330/32 wurde die Burg zur längsten Wehranlage ausgebaut. Der Pulverturm diente als „Festung vor der Burg“ gegen eventuell herannahende Feinde. Der See diente somit als weiterer Puffer gegen eindringende Feinde.  Allerdings gab es nie einen Angriff auf Burghausen. Die Burg war ohnehin von drei Seiten nicht einnehmbar. 

Die Tiergartenidee 
Willhelms

Eine sehr interessante Geschichte ereignete sich in den Jahren 1514/15. Die Annalen berichten über eine Idee von Herzog Wilhelm IV., der rund um den See einen Tiergarten errichten wollte und bereits die Order gab, einen Wildzaun zu errichten. Der oberste Bayer hatte dabei eine Rechnung ohne die starken Gegenargumente des Stadtrates aufgemacht. Das Gelände rund um den Eggenberg (Bergerhof) gehörte zum Heilig-Geist-Spital, das 1332 vom Mautner von Katzenberg gestiftet wurde. Seine weiten Flächen dienten als Nahrungsgrundlage für die rund 70 Insassen. Dort wurden Hirse, Buchweizen als Hauptnahrungsmittel, Gerste für die Brauereien, Kraut als Vitaminlieferant für den Winter angebaut. Die Wiesen am Eggenberg dienten als Weide für die Kühe, die Milch und Schmalz lieferten. Mautner Konrad von Waldbrunn schloss sich den Argumenten des Rates vollumfänglich an und lieferte das Schreiben beim Herzog ab. Dieser zeigte sich einsichtig und ließ vom Bau eines Tiergartens ab. Derlei Tiergärten waren zu dieser Zeit groß in Mode. Der Berliner Tiergarten beispielsweise entstand fast zeitgleich zu den heimischen Diskussionen. 

Garnison und Freizeitpark

300 Jahre später  wurde der See nur als Schwimmanlage für die Soldaten der Garnison genutzt. Zivilisten war zunächst das Baden verboten. Doch mittelfristig zeigte sich das Militär nicht mehr so streng und öffnete das Bad für die Bürger. So durften „interessierte Herren“ das Angebot von sieben Uhr morgens bis abends nutzen. Als im Jahr 1873 Bauernburschen und Schüler am Felsen badeten, nahmen sich die Offiziere auf Bitten des Stadtrates der Nichtschwimmer an. 1891 zogen die Soldaten aus Burghausen ab. Die Stadt, die damals wenig Geld hatte, übernahm das Areal für 250 Mark Pacht pro Jahr. Drei Jahre später wurden die ersten Boote angeschafft. Kurz darauf erhielt der See den heutigen Namen, was auf eine Idee des Fremdenverkehrsvereins zurückgeht. 1898 stand die Erneuerung des Bades an. Der Herrenbereich wurde für 1.000 Mark ertüchtigt.  Die weibliche Hemisphäre trieb dem „Seminarpräfekt“ Carl Koeppel die Zornesröte ins Gesicht. Die holde Weiblichkeit tummelte sich damals nicht nur in dem für sie vorgesehenen Bereich. In seinem Wutbrief stellt der Herr Präfekt mit wahrscheinlich ziemlich erhöhten Blutdruck fest, dass sich die Damen woanders herumtreiben und damit auch auf die Herren treffen. Der Bürgermeister wertete die Sachlage als nicht so dramatisch, was den Herrn Koeppel antrieb, eine Bürgerinitiative zu gründen. Schon damals gab es also die Erscheinung des Wutbürgers. Der Wöhrsee erfreute sich immer größerer Beliebtheit. Zwischenzeitlich ging er in die Obhut des TV 1868 über. 1926 fand das erste Seefest, das ganze Sonderzüge aus München anlockte, statt. Vor allem viele Einheimische genießen ihren „Haussee“ und machten in den letzten Jahrzehnten in diesem auch ihre ersten Schwimmerfahrungen.