Impressum |
   
   


ePaper Arbeitsmarkt Inn Salzach Anzeigen Ansprechpartner Service
................        

Donnerstag, 16. März 2017

Neue Ära des Burghauser Jazz

Nachdem sich der Bayerische Rundfunk zurückgezogen hat, sind nun die frei willigen Helfer und die Stadt gefordert 


von Uli Kaiser
BURGHAUSEN. Mit der 48. Jazz-woche Burghausen beginnt eine neue Ära für die IG Jazz. Nachdem sich das Bayerische Fernsehen aus der Produktion der Konzerte und damit auch aus der Ausstrahlung der Traditionsveranstaltung verabschiedet hat, müssen die freiwilligen Helfer noch mehr die Ärmel hockrempeln. „Unser Vorstand Herbert Rißel hat gemeinsam mit der Politik alles versucht, um den BR umzustimmen. Das hat leider nicht funktioniert“, berichtete Andreas Bentlage. 
Die öffentlich-rechtliche Anstalt muss massiv einsparen. Deshalb werden viele Produktionen eingestampft. Auf der anderen Seite rückt nicht nur der BR, sondern alle Dritten Programme der ARD immer mehr von ihrem Bildungs- und Kulturauftrag ab. Eine Aufgabe, die ihnen kraft der „Steuer“ Rundfunkgebühren als rechtlich verpflichtend vorgegeben ist. Schon seit vielen Jahren nimmt die Qualität der öffentlich-rechtlichen Sender massiv ab. Das ist an den Reportagen zu erkennen, die zu großen Teilen verstaubt daherkommen. Erst Daily Soaps, dann die Flut an Talk-, Koch- und Quizshows demonstrieren, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen insbesondere in ihren ersten drei Programmen nur noch auf Masse, statt auf Klasse konzentrieren. Eine Kritik, die immer lauter wird. Die Aufzeichnungen der Jazzwoche Burghausen wurden zumeist auf BR Alpha ausgestrahlt. Obwohl der Spartensender nur geringe Reichweiten hat, spürte die IG Jazz gute Resonanzen. „Gleich nach den Sendeterminen haben wir immer einen deutlichen Anstieg an Anrufern für die kommende Veranstaltung verzeichnet. Zudem hat das Fernsehen viel Werbung durch Flyer gemacht, was uns auch geholfen hat“, so Bentlage. Bürgermeister Hans Steindl ist sich sicher, dass die 50. Ausgabe der Jazzwoche in seinem letzten Amtsjahr 2020 wieder zu sehen ist. 

Stadt steigt stärker ein

Wie Bürgermeister Hans Steindl zudem feststellt, wird die Stadt Burghausen aufgrund des BR-Ausstiegs die IG Jazz etwas stärker als früher unterstützen. Alleine für die Jazzwoche wird sich der Zuschuss auf 80.000 bis 90.000 Euro erhöhen. Der Jazzpreis alleine ist mit rund 20.000 Euro dotiert. Darüber hinaus stehen die städtischen Mitarbeiter tatkräftig zur Seite. „Ohne die-se Unterstützung würde es schwer werden. Wir selbst haben beim Aufbau wesentlich mehr zu tun, weil der BR früher viele Dinge selbst aufgebaut hat. Das Schöne ist, dass wir alle ein eingespieltes Team sind und jeder weiß, was er zu tun hat“, erklärt Bentlage. Nun werde mit dem Aufbau eher begonnen. Alles sei eine große Herausforderung und sehr spannend. Insbesondere Andreas Romeder sei als Technikchef gefordert. Weiterhin sei es nicht einfach, Sponsoren an Land zu ziehen, wie Bentlage erläutert. Deshalb sei die IG Jazz froh, dass die Sparkasse auch weiterhin als guter Partner zur Seite steht. Die Haupteinnahmequelle besteht auch weiterhin aus den Eintritten. Hier ist die IG Jazz sehr zufrieden. „Dienstag, Mittwoch und Samstag sind ausverkauft. Rund 7.000 Karten sind bislang ausgegeben worden“, unterstreicht Andreas Bentlage. 

Breites Interesse 
erwecken

Die Macher der Jazzwoche sind sehr froh, dass sie in diesem Jahr ein wirklich tolles Programm auf die Beine stellen konnten. Mit Soulinterpretin Joss Stone, dem virtuosen Trompeter Till Brömmer oder der Original Blues Brothers Band schaffte die IG Jazz wieder den Spagat zwischen hochklassigem Jazz und der Öffnung für ein breiteres Publikum. „Wir wünschen uns schon, dass auch wieder mehr Leute aus Burghausen kommen. Das schafft eine wichtige Verbindung“, so Andreas Bentlage. Jazz – und das hat nichts mit Burghausen zu tun – ist in den letzten Jahrzehnten leider zu oft in sehr engem Schubladendenken verschwunden. Dabei ist es insbesondere dieses Genre, das die Wiege für extreme musikalische Richtungen bildet. In den 60er-Jahren lechzte das junge Publikum nach Jazz in allen Variationen. Ab den 80er-Jahren stieg der Kommerz im Bereich der Mainstreammusik und parallel dazu öffneten sich zu viele sehr eng ausgelegte Schubladen. Das scheint sich jetzt wieder langsam zu drehen.

-------------------------------------
Kommentar
Uli Kaiser

ulikaiser@salzachkurier.de


Menschen mitnehmen und bewegen


Es gibt sicherlich nicht wenige Burghauser, die mindestens ein nettes Erlebnis mit der Jazz-Woche verbinden. Als ich im zarten Alter von 16 Jahren, ganz Jazz-Experte, meine ersten Karten kaufte, war ich stolz: The World Saxophon Quartett! Das musste großartig sein. Das Konzert war so großartig, dass ich zur Pause die Flucht ergriff, weil Free Jazz zwar geniale Musiker zusammenbringt, aber doch nichts für Novizen ist. 
Genau an dieser Stelle zeigt sich aber, welche faszinierende Bandbreite der Jazz hat. Unglaublich viele Stilrichtungen gibt es. Es ist nicht DER JAZZ. Nein, dieses Genres ist nur das Dach für fantastisch viele Facetten der Musik. Weit weg vom weichgespülten Einheitsgedudel der Massenware Musik. Alle Richtungen an dieser Stelle auszuführen, würde den Rahmen sprengen. Aber es lohnt sich, sich zu informieren, Hörproben zu nutzen und sich dann doch einmal auf ein Konzert von echten Weltstars direkt vor der Haustüre einzulassen. 
Die IG Jazz hat es in den letzten 47 Jahren geschafft, sich immer weiterzuentwickeln, sich auch einmal neu zu erfinden und eine tolle Basis für Jedermann zu schaffen. Das Herz ist der Jazz-Keller. Legendäre Sessions waren und sind dort zu erleben. Die Räumlichkeiten sind leider begrenzt. Aber wer einmal Ursprünge erleben will, der sollte dort hineingehen. Auch wenn ich damals keine Ahnung hatte, erblickte ich bei der Premiere vor 34 Jahren das Licht der realen Welt erst wieder gegen sechs Uhr morgens. Meine Eltern machten sich Sorgen, weil ich ja nur zur Jazzwoche ging und nicht bald wiederkam. „Wos denn“, fragte ich am Morgen, „hab ja gesagt, es kann später werden“. 
Einmal gingen wir vom Jazz-Keller direkt zu kesselfrischen Weißwürsten zur Metzgerei Keller, wo die Oma schon auf uns wartete, und dann – ganz schrecklich – zur gymnasialen Infiltration von Latein, Mathe und Co. Diese Kombination zwischen Musik, Brotzeit und Lehrauftrag wird unvergessen bleiben. Wobei wir das Mitleid der Lehrer durchaus auf unserer Seite hatten. Sie waren halt Humanisten. Manche zumindest. 
Ich denke, es gibt viele Leute, die solche Erinnerungen haben. Und zudem verbindet die Jazz-Woche Burghausen und die große weite Welt. In der Szene ist das Festival ein Fixpunkt und das soll auch so bleiben. Das Motto wird daher auch weiterhin lauten: Menschen mitnehmen und bewegen.