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Donnerstag, 12. November 2015

Ökologische Idylle contra Grüne Energie


Sanierung Untere Salzach: Diskussionen über Ökologie und Ökonomie lähmen dringend wichtige Baumaßnahmen an der Salzach REGION. Vor rund 19.000 Jahren endete die letzte Eiszeit. Die Jahresdurchschnittstemperatur stieg von 0,8 auf 9,8 Grad an. Die Gletscher schmolzen. Zudem überschwemmten durchschnittlich neunmal pro Jahrhundert extreme Hochwässer unsere Salzach-Region. Sie werden bis heute von den Adria-Tiefs ausgelöst. Diese erwachsen südlich Irlands und ziehen dann über zwei sehr warme Meere hinweg, ehe sie über die Ostalpen zu uns kommen. Ist das jeweilige räumlich vorgelagerte Hoch zu stark, hängen sich die maximal sieben Kilometer breiten Wolkenteppiche bei uns ein. Es kann bis zu sieben Tage lang zirka 120 Liter pro Quadratmeter Niederschlag geben. Dazu gesellen sich dann noch die ohnehin gewaltigen Wassermassen der Salzach, die das gesamte Gebiet der Hohen Tauern entwässert. Auf diese Weise schaffte die Salzach in 15.000 Jahren eine gewaltige Erosion von rund 70 Metern. Das ist außergewöhnlich. So entstand unser schönes Salzachtal und die verteidigungspolitisch spannende Topografie Burghausens oder Salzburgs. Vor 150 Jahren begannen die Herrscherhäuser den Fluss zu begradigen. Neue Grenzen und wertvolle Ländereien wurden dadurch gewonnen. Die bunte Auenlandschaft verschwand immer mehr. Sohleeintiefung als Hauptproblem Ein Strom, der teils zwischen 400 und 700 Metern breit war, schrumpfte auf zirka 100 Meter zusammen. Das Wasser floss schneller. Der Fluss grub sich ein. Der Sohle sinkt auch heute noch immer ab. Das wiederum stellt eine massive Bedrohung für die Brücken- und Hochwasserschutzbauwerke dar. Letztendlich muss die Salzach in der Nonnreiter Enge auf etwa acht Kilometern aufgeweitet werden. Das nimmt ihr viel vom Druck, der für die stetige Sohleintiefung sorgt, weil das Wasser sonst nirgendwohin ausweichen kann. Der Tittmoninger und Ostermiethinger Raum sind von diesen Maßnahmen vor allem betroffen. Die Umgebung Burghausens spürt davon praktisch nichts. Das extreme Hochwasser, das im Schnitt alle zehn bis zwölf Jahre die Altstadt bedroht, verliert dadurch kaum an Gefährlichkeit bzw. Höhe. Das erklärt das Wasserwirtschaftsamt Traunstein auf ISK-Nachfrage. Interessanterweise braucht Burghausen aber keine Angst vor einer Sohl- eintiefung haben. Das Flussbett befindet sich zwischen Heiligkreuz und dem Alzkanal in einem stabilen Zustand. Zwischenzeitlich war es um 50 Zentimeter abgesunken, was sich aber mittlerweile wieder reguliert hat. Varianten sehr ähnlich Alle wissen, dass es bei der Renaturierung der Salzach nur darum geht, dass sich die Sohle in den kritischen Bereichen nicht weiter eintieft. Deswegen wurden zunächst eine Machbarkeitsstudie und die Bewertung von vier Varianten in Auftrag gegeben.
Die naturnahe Renaturierung wurde erst später aufgenommen. Im Vorfeld entsandten alle betroffenen Parteien Mitglieder in eine Resonanzrunde. Diese bewertete zunächst aus ihrer Sicht neun Ziele, die mit den Renaturierungsvarianten verbunden werden sollten. Die dynamische Sohlstabilisierung, die ökologische Verbesserung des Landschaftsbildes und die Erlebbarkeit der Landschaft, landeten auf den ersten beiden Plätzen. Auch der Hochwasserschutz, sowie ein gesichertes Entwicklungs- und nachhaltiges Bewirtschaftungskonzept wurden bewertet. Walter Raith, der Chef des
Wasserwirtschaftsamtes Traunstein, bewertet die Varianten wie folgt: „Naturnah oder nicht. Die Varianten unterscheiden sich hinsichtlich der Gewässerökologie kaum. Wir warten ab, was die gesellschaftspolitische Diskussion ergibt.“ Die naturnahe Variante verzichtet auf Querbauwerke im Fluss. Die auf Energiegewinnung ausgerichteten Lösungen ersetzen die Querbauwerke durch Fließkraftwerke. Die Passierbarkeit für Fische ist sehr ähnlich.
Grüne Energie im Fokus Insbesondere die Gemeinden Tittmoning und Ostermiething sowie die Bürgerkraftwerke GmbH in Taching und der Verbund als Energieerzeugungsunternehmen setzen sich für Fließkraftwerke ein. Im ersten Fall könnten mit drei Kraftwerken, die vier Rampen ersetzen würden, 27.500 Haushalte mit Strom aus Wasserkraft versorgt und dadurch 64.000 Tonnen CO² eingespart werden. Die kleinere Version beinhaltet zwei Kraftwerke für die Stromversorgung von 7.000 Haushalten und die Einsparung von 16.000 Tonnen. Die Bürgerkraftwerke GmbH machte in ihrer Stellungnahme nochmals deutlich, dass man sich an die Ergebnisse von 2003 halten würde und deshalb ökologische Kraftwerkslösungen eingebracht habe. Beide Kraftwerksvarianten seien für die Natura-2000-Richtlinien verträglich. Tittmoning und der Landkreis berufen sich auf die Ziele, die die Energiewende in Bayern beinhalte. Die Gutachter bezweifeln dagegen die Vereinbarkeit mit dem Natura-2000-Katalog. Allerdings legten sie keine konkreten Gründe vor. Vorgaben Natura 2000 Wie Martin Tubes vom Amt für Landwirtschaft, Forsten und Ernährung in Töging im Rahmen eines rundes Tisches im Herbst 2013 erklärte, verlange Natura 2000 insbesondere keine Verschlechterung der bisherigen Situation in unserer Region. Der Katalog schlage Verbesserungsmaßnahmen vor. Gleichzeitig nehmen aber alle Naturschutzmaßnahmen die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ins Visier. Andernfalls wäre ein Projekt wie das Güterverkehrszentrum im Marktler Wald nie zustande gekommen. Fakt ist, dass die Fließkraftwerke das Passieren von Fischen zulassen. Die Bootspassierbarkeit ist eingeschränkt. Der Fischereiverband widerspricht der Darstellung, dass Fische ohne schwere Verletzungen passieren können. Zudem findet der Verband, dass die Ausbeute, die maximale 0,3 Prozent der gesamten bayerischen Produktion an Ökoenergie ausmache, die Verbauung des Flusses nicht rechtfertige. Auf dem oberbayerischen Fischereitag, der im Sommer in Burghausen stattfand, lobte der Verband die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. In anderen Regionen wurden gute Lösungen mit bereits bestehenden Kraftwerken gefunden. Vision Naturpark In diesem Zusammenhang fällt ins Auge, dass der Bay-erische Kanuverband an der Spitze der Initiative für einen naturnahen Ausbau der Salzach steht. „Wir sind nicht gegen Wasserkraft, aber 4.350 Kraftwerke an Bayerns Flüssen sind genug“, erklärte dessen Vorsitzender Oliver Bungert bei einer Kundgebung in Burghausen im Juni. Bürgermeister Hans Steindl fungierte bei dieser Kundgebung, die mittlerweile regelmäßig stattfindet als Schirmherr. Bei der letzten Veranstaltung war auch Dr. Astrid Rössler von den Grünen zu Gast. Sie ist Salzburgs stellvertretende Landeshauptfrau und wirbt für den Naturpark Salzachauen. Dieser soll sich von Bergheim bis Oberndorf erstrecken. Salzburg kaufe zu diesem Zweck 300 Hektar Gelände. 200 davon wären öffentliches Gelände. Der Fluss soll sich Teile des Ufers selbst holen. Der andere Teil würde mit Maschinen vorbereitet. Sie warb mit einer Broschüre. Neben den wichtigen Punkten, wie der besseren Anbindung der Auwälder und der Sohlstabilisierung, sehen die Verfechter dieses Konzeptes einen Mehrwert für den sanften Tourismus. Zur Erklärung: insbesondere die Anbindung der Auwälder an den Fluss ist ein Element, das wertvoll ist. Diese Diskussion gab es auch beim runden Tisch für die Grundbesitzer im Natura 2000-Gebiet in Haiming. Ein Auwald braucht mindestens zwei Überschwemmungen pro Jahr, um seine natürlichen Aufgaben ausfüllen zu können. Konsens ist schwierig Richtig ist auch, dass die Salzach einer der ganz wenigen noch unverbauten Flüsse im Bereich der Unteren Salzach ist. Dr. Astrid Rössler und ihre Mitstreiter sehen ein großes Potenzial im Naturpark Salzachauen, wenn diese Idee auch grenzübergreifend realisiert wird. Bevor die Wünsche derjenigen, die sich für die Nutzung der Wasserkraft einsetzen, zu sehr kritisiert werden, muss noch angefügt werde, dass die Salzach bis in Höhe Salzburg mit zahlreichen Kraftwerken versetzt ist. „Wir produzieren mehr Strom als die Nachbarn brauchen. Auf der anderen Seite sehen die Kritiker kleine Kraftwerke als ineffizient an. Man solle die bestehenden sanieren und dadurch mehr Effektivität schaffen. Letztendlich wird ein Konsens schwierig sein. Jede Interessengruppe will ihr Recht. Dazu gehören auch die Fischer, Jäger und Förster. Auf der deutschen Seite müssten in etwa 380 Hektar Fläche weichen, auf der österreichischen wären es knapp 300, wenn die naturnahe Variante kommt. (tk)