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Donnerstag, 23. Juli 2015

Burghauser Flüchtlingsheim ist essentiell für den Landkreis

Bauvorhaben mit mindestens einem halben Jahr Verzug –
wichtige Unterkunft für den Landkreis



BURGHAUSEN/ALTÖTTING.
In den letzten Wochen kam es im Kreistag zu einigen hitzigen Debatten zwischen Landrat Erwin Schneider und Burghausens Bürgermeister Hans Steindl. Dabei ging es um den Bau eines Flüchtlingsheimes im Gewerbegebiet Lindach. Mittlerweile haben sich die Gemüter wieder beruhigt. Fakt ist, dass dieses Projekt für den gesamten Landkreis eine sehr wichtige Funktion erfüllt. Genauso ist Fakt, dass Burghausen in diesem Punkt nicht großmütig handelt, sondern eine der Stadt zugedachte Aufgabe erfüllt. 
Der Landkreis Altötting muss laut Verteilungsschlüssel zweieinhalb Prozent der auf Oberbayern entfallenden Flüchtlinge aufnehmen. Derzeit leben bei uns um die 850 Flüchtlinge. „Aktuell nehmen wir neun pro Woche auf. Wir haben unser Soll bereits übererfüllt, deshalb sind es derzeit weniger“, erklärt Landrat Erwin Schneider. Der Nachbarlandkreis Mühldorf nimmt wöchentlich zwischen 17 und 20 auf. Diese Neuankömmlinge müssen sich zunächst dem Clearing-Verfahren unterziehen. Dabei werden alle persönlichen Daten wie Name, Alter, Herkunft, Gesundheit, Familie oder Verwandte ermittelt.

Hoher Wohnungsbedarf


Nach diesem Prozedere ziehen die Asylsuchenden aus der Erstaufnahmeeinrichtung aus und werden im gesamten Landkreis untergebracht. Niemand weiß, wie lange die Gäste letztendlich hier wohnen. Denn nun warten sie auf die Bearbeitung ihres Asylantrages. Diese Aufgabe übernimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es gibt Schnellverfahren, die ungefähr sieben Monate dauern können (Quelle: BAMF). Die Abwicklung kann aber bis zu 18 Monate dauern, wie die Vereinigung Pro Asyl festgestellt und bemängelt hat. „Wann die Asylsuchenden einen Brief vom BAMF bekommen, wissen wir im Landratsamt nicht“, sagt Landrat Erwin Schneider. Eines jedoch ist sicher. Derzeit verlassen zwischen 17 und 20 Asylsuchende die Erstaufnahmeeinrichtung und müssen im Landkreis untergebracht werden. Die Mitarbeiter des Landratsamtes bringen ihre Schützlinge möglichst dezentral unter. „Wir betreuen mehr als 70 Immobilien“, erklärt Schneider. Aktuell werden die ausländischen Gäste nicht paritätisch auf die 21 Kommunen verteilt. Sie wohnen dort, wo Wohnungen frei sind. 

Wichtiger Puffer

Mit Blick auf den stetig wachsenden Flüchtlingsstrom ist das Projekt in Burghausen immens wichtig. „Dort werden bis 175 Menschen leben können. Das nimmt uns mittelfristig einen enormen Druck“, sagt Schneider. In den letzten Wochen kam es vor allem deshalb zu hitzigen Diskussionen, weil Bürgermeister Hans Steindl das Flüchtlingsheim bereits für September oder Oktober ankündigte, es aber dann zu einem guten halben Jahr Verzögerung gekommen ist. Das Heim sollte von heimischen Investoren errichtet und betrieben werden. 
Doch diese fühlten sich zuletzt in ihrer Haut nicht wohl, weil sie sich großer Kritik seitens verschiedener Bürger ausgesetzt sahen. Diese warfen ihnen vor, sie wollten mit dem Leid anderer nur Geld verdienen. Dieser Kritik trat Steindl energisch entgegen. Damit private Geldgeber ein solches Projekt stemmen können, rechnen sie mit fixen Einnahmen, die über die Pauschalen, die der Bezirk Oberbayern pro Tag und Flüchtling gewährt, generiert werden. Neben der Art des Baus war auch diese Einnahme noch nicht komplett abgeklärt. Deshalb konnte der Bau nicht eher gestartet werden. Mittlerweile ist der Bau im vollen Gange. Im zweiten Schritt will die Burghauser Wohnbaugesellschaft das Objekt übernehmen und betreiben. Der Betrieb ist zunächst auf zehn Jahre ausgelegt. 
Um die nächsten Monate bis zur Eröffnung des Heimes im Gewerbegebiet Lindach überbrücken zu können, wird nun die Maria-Ward-Turnhalle in der Altstadt als Wohnmöglichkeit genutzt. Darauf verständigten sich Schneider und Steindl.

Viele große Aufgaben

Die nächsten Monate und Jahre werden sehr spannend. Derzeit sind laut UNHCR mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele sind Binnenflüchtlinge. Keiner weiß, wie viele neue Flüchtlinge zukünftig in Deutschland ankommen werden. Im Vergleich zu 2014 wird sich die Zahl der Asylanträge in unserem Land auf 300.000 verdoppeln. IM Augenblicke kommen rund die Hälfte der Asylsuchenden aus sicheren Drittstaaten, die in Südosteuropa liegen. Hier gibt es einen politischen Richtungsstreit über die schnelle Abschiebung solcher Personen. Für die Landkreise, bzw. deren Städte und Gemeinden, bedeutet dies eine Vervielfachung der Herausforderung. Schließlich wurde bei den staatlichen Stellen in den letzten Jahren immer mehr gespart. „Mittlerweile stellen die Hilfsorganisationen sogar Ehrenamtliche befristet ein, weil der Aufwand immer größer wird“, sagt Erwin Schneider. Ein weiteres Problem, dass vor allem auf die Jugend-ämter zukommen wird, ist die steigende Zahl unbegleiteter Jugendlicher. Diese bedürfen verständlicherweise einer besonderen Betreuung. Passau hat bereits Alarm geschlagen. Dort sollen mittlerweile mehr als 1.000 junge Leute betreut werden, was definitiv nicht mehr machbar ist. In Burghausen diskutiert man zurzeit über 40 unbegleitete Jugendliche, die hier betreut werden sollen. Wo diese letztendlich genau untergebracht werden, steht noch nicht fest. Das ehemalige Athanor-Gebäude auf der Burg oder das Berufsbildungswerk stehen zur Diskussion. 
Die größten Hürden für alle Städte und Gemeinden werden aber mittelfristig noch kommen. Alle diejenigen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, genießen einen ähnlichen Status wie die heimischen Sozialhilfeempfänger. Damit stehen ihnen Sozialwohnungen zu. Doch auch hier ist seit Jahrzehnten die Anzahl knapp. Genauso knapp ist das Budget fast aller Städte und Gemeinden. Sie müssen solche Projekte finanzieren. Auch wenn Land und Bund wohl hohe Zuschüsse gewähren, bleiben die Unterhaltskosten an den Kreisen, Städten und Gemeinden hängen. Hinzu kommt, dass die offiziell anerkannten Flüchtlinge freizügig sind. Das heißt, sie können dort wohnen, wo sie wollen. Also kann niemand einschätzen, wohin die Leute dann ziehen werden. Aller Voraussicht nach zieht es die temporären Neubürger dann eher in die Ballungsräume oder in die Städte. (uk)