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Donnerstag, 23. Juli 2015

Der Staat macht gewaltig Druck

Die Kreiskliniken mussten innerhalb zwei Wochen ihren Finanzbedarf für die Umstrukturierung anmelden


ALTÖTTING/BURGHAUSEN.
Der deutsche Staat macht in Sachen Krankenhausreform gewaltig Druck. Ursprünglich sollten die neuen Gesetze erst 2017 in Kraft treten. Jetzt kommen sie wohl schon ein Jahr früher. Deshalb flatterte nicht nur den Kreiskliniken Altötting-Burghausen schon Ende Juni ein Brief vom Freistaat ins Haus. Das Unternehmen sollte bis zum 13. Juli die Gelder anmelden, die es aus dem Strukturfonds beantragt, um eine Neustrukturierung im Sinne der Krankenhausreform umsetzen zu können. Deshalb wurde am 11. Juli eine außerplanmäßige Verwaltungsratssitzung einberufen. Aufgrund des Drucks war nicht einmal eine fristgerechte Einladung des neuformierten Gremiums möglich. 
Der Strukturfonds stellt aber nächstes Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung, damit die Träger ihre Unternehmen umgestalten können. Dabei stehen die Konzentration von medizinischen Leistungen, der Abbau von Überkapazitäten und die Umwandlung von Kliniken in ambulante Zentren im Fokus. Der Strukturfonds wird hälftig von Bund und Ländern gespeist. Die Krankenkassen, deren Kassen mit mehreren Milliarden Überschüssen prall gefüllt sind, zahlen nicht dazu. Sie fordern nur. Unter dem Strich finanziert also der Bürger ganz alleine die neue Krankenhauslandschaft. Die regionalen Politiker, deren Landkreise im Normalfall der Träger der Krankenhäuser sind, müssen sich dem Druck beugen.  

Mini-Krankenhaus 
Burghausen

Die Verwaltungsräte und vor allem auch die Vorstände der Kreiskliniken befinden sich nach dem Bürgerentscheid in der Zwickmühle. Dieser forderte den Erhalt des Akuthauses Burghausen. Akutmedizin bedeutet, dass kleinere und damit von den Krankenkassen sehr gering dotierte Eingriffe vorgenommen werden können. Diese Operationen bewegen sich laut Definition auf den Sektoren Innere Medizin und Chirurgie. Deshalb entschied sich der Verwaltungsrat mit deutlicher Mehrheit für den Erhalt eines Mini-Krankenhauses Burghausen mit zirka 50 Betten. Alle Spezialitäten werden abgezogen. Damit wandelte sich der Erfolg Burghausens im Rahmen des Bürgerentscheids zum Bumerang. Denn damit schrumpft das Haus um rund 80 Betten. Der Bürgerentscheid ist ohnehin nur bis zum 15. März 2016 bindend. 

Ausbau in Altötting

Damit legen die Verwaltungsräte den Bürgerentscheid so eng wie möglich aus. Auf der anderen Seite müssen sie dem Diktat der neuen Gesetze gehorchen. Diese stellen zwar massive Förderungen in Aussicht, machen aber auch Vorgaben. Darunter fällt die Konzentration von Standorten. Der Ausbau von Altötting, den Landrat Erwin Schneider im Rahmen des Bürgerentscheides propagierte, basiert nicht auf Größenwahn, sondern auf dem, was der Staat fordert. Er sagt, dass eine Konzentration von Standorten ein Großteil infrastruktureller Kosten spart. Bei einer kompletten Schließung Burghausens wäre so der Zubau von 100 Betten förderfähig und somit mit einem Zuschuss von 80 Prozent bedacht gewesen. Der Gedanke dahinter ist, dass ein Bettenhaus im reinen infrastrukturellen Unterhalt erheblich günstiger kommt, als die Infrastruktur eines ganzen Krankenhauses. Unter den Vorgaben des Bürgerentscheides wird Altötting nun um 80 Betten ausgebaut. Die Kosten für die Entstehung eines Krankenhausbettes liegen bei etwa 200.000 Euro (Quelle: Deutsche Krankenhausgesellschaft).  

Zentrierung der 
Notaufnahme

Die Konzentration von Standorten spart vor allem deshalb Geld, weil sehr teure technische Einrichtungen nicht doppelt unterhalten werden müssen. Das betrifft die Notaufnahme. Es ist kein Gigantismus, wenn die Notaufnahme in Burghausen geschlossen und in Altötting so optimiert wird, das sich die Wartezeiten massiv verkürzen. Im ersten Schritt werden derzeit die Erwachsenen- und Kindernothilfe getrennt. Zukünftig wird die Notaufnahme so umgebaut, dass der gesamte Ablauf wesentlich effektiver wird. Es könnte mehr Behandlungsräume geben und auch der Zugriff auf die Fachärzteschaft soll besser werden. Nicht erst seit Kurzem stieß es den Patienten sauer auf, dass man in Altötting teilweise sechs Stunden warten musste. Allerdings bemerkt die Deutsche Krankenhausgesellschaft auch, dass weit mehr als 50 Prozent, wenn nicht sogar eher 70 Prozent der Patienten in der Krankenhausnotaufnahme fehl am Platz sind. Sie scheuen ganz einfach den Gang zu den Haus- und Fachärzten. Jedem Krankenhaus entsteht laut DKG ein Defizit von 88 Euro pro behandeltem Patienten. Die Kosten, die durch Personal und Vorhaltungen entstehen, liegen bei 132 Euro pro Patient. Gezahlt werden 32 Euro. 

Burghausen 
vernünftig nutzen

Fakt ist auch, dass laut Landrat Erwin Schneider der Zeithorizont für die neuen Maßnahmen sogar über das Jahr 2020 hinausgeht. Doch schon jetzt stellt sich die Sachlage als sehr kritisch dar. Während die Belegungszahlen in Altötting nur leicht zurückgingen, sanken sie in Burghausen dramatisch. Waren es im Winter noch rund 80 Prozent, brachen sie im März auf 68 Prozent und im April auf 63 Prozent ein. Das Problem ist, dass Häuser unter 200 Betten nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können, weil die Unterhaltskosten in fast allen Bereichen nicht mehr refinanzierbar sind.
Allen Verwaltungsräten ist klar, dass die Immobilie Burghausen in Zukunft vernünftig genutzt werden muss. Das sieht auch der Staat so und deshalb gibt es extra Gelder, damit die freistehenden Kapazitäten solcher Häuser sinnvoll gefüllt werden können. Im Fall Burghausen steht außer Zweifel, dass die Räume nie komplett als ambulantes Zentrum genutzt werden können. Obschon es bereits Anfragen von Ärzten gibt. 

Denkanstöße im 
Verwaltungsrat

Derweil entspinnt sich die Diskussion, welche medizinische Disziplin man an der Salzach sinnvoll ansiedeln könnte. Die Geriatrie (Altersmedizin) ist eine Idee von Hans Steindl. Allerdings müsste man genau analysieren, welche Bereiche angesiedelt werden können. Es dürfen nicht wieder teure Vorhaltungen benötigt werden, die es in Altötting auch schon gibt. Die Geriatrie beschränkt sich nicht auf die Wiedererlangung der Mobilität und Selbstständigkeit älterer Menschen, sondern beinhaltet auch einen Großteil an fachübergreifender Zusammenarbeit. Schließlich sind ältere Menschen oft multimorbid,  wie der Fachchinese sagt. Sie leiden also an mehreren Erkrankungen. Eine andere Idee, die durchaus ihren Reiz hat, wäre eine Fachklinik für Psychosomatik. Der Bedarf in diesem Bereich steigt enorm an. Außerdem ist das eine Disziplin, die losgelöst von den komplexen Vorgaben anderer Fachabteilungen arbeiten kann. Dass alles noch seine Zeit braucht, versteht sich von selbst. Alles muss erst einmal durchdacht, geplant, genehmigt und sinnvoll umgesetzt werden. Da wird noch einige Zeit vergehen. (uk)