Von der drohenden Zerstörung bis zur reichen Wirtschaftsstadt – Burghausens oberste Entscheider bewiesen in ihrer Amtszeit Mut und Risikobereitschaft
von Uli Kaiser
BURGHAUSEN. Heute ist Burghausen wieder eine blühende Stadt mit vielen – vor allem auch finanziellen – Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Chancen haben sich vor allem seit Mitte der 1980er-Jahre entwickelt und fanden eine Verstärkung in wichtigen Entscheidungen, die sich insbesondere nach 2006 positiv auswirkten. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg sah die Sache noch ganz anders aus. Hunger und Wohnungsnot, die durch Wachstum und Flüchtlinge begründet war, stellten die handelnden Personen vor große Aufgaben.
Burghausen in Gefahr
der völligen Zerstörung
Zunächst hatte es die Stadt dem Mut und der Tatkraft verschiedener Personen zu verdanken, dass der Kern nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt noch erhalten blieb. In der Endzeit des Krieges hatte Hitler den Befehl gegeben, die Brücken und die Versorgungswege der Stadt zu zerstören. Dazu kam es nicht. Darüber hinaus war es dem Verhandlungsgeschick von Bürgermeister Hans Stiglocher zu verdanken, dass Burghausen nicht von den US-Truppen zerstört wurde. Einem Team, das von Josef Roiderer als Dolmetscher verstärkt wurde, gelang es, die Amerikaner von einer kampflosen Übergabe der Stadt zu überzeugen. Stiglocher erkrankte schwer und starb bereits 1946.
Georg Schenk
legte Grundsteine
Wenige ruhige Minuten gab es in der Amtszeit von Georg Schenk, dem letzten SPD-Bürgermeister vor der Wahl Hans Steindls. In der Zeit von 1948 bis 1966 wuchs die Stadt auf über 15.000 Einwohner an. Der gebürtige Lechbrucker zählte zu den Kommunalpolitikern der ersten Stunde. Sein Motto lautete „Aufbauen, aufbauen und wieder aufbauen“. Es war eine schwierige Zeit, die von Wohnungsnot und zunächst von einer schwierigen Versorgung der Bürger mit Nahrungsmitteln geprägt wurde. Die Stadt war faktisch pleite und musste trotzdem die entstehende Neustadt unterstützen. Dort oben musste die komplette Infrastruktur entwickelt werden. Burghausen wuchs in seiner Amtzeit um mehr als 5.000 Personen oder 50 Prozent. Unter seiner Regie entstand das städtische Krankenhaus (1956), das 1964 in die Trägerschaft des Kreises überging. Die Johannes-Hess-Schule, die Oberrealschule (heute Aventinus-Gymnasium) und die Jugendherberge entstanden. Auch das Heimatmuseum wurde eröffnet. Nach den schlimmen Hochwassern der Jahre 1954 und 1959 verlagerte sich das Geschäftsleben immer mehr in die boomende Neustadt. Es gab Förderprogramme. Unter Schenks Regie wurden die Grundsteine für die Sanierung der Altstadt inklusive des Hochwasserschutzes gelegt. In seiner Zeit wuchs die Zahl der Gewerbebetriebe von 367 auf 520 an.
Startschuss für
die neue Altstadt
Schenks Nachfolger Georg Miesgang kann getrost als Vater der neuen Altstadt angesehen werden. Das, was sein Vorgänger Mitte der 1960er-Jahre vorbereitet hatte, packte der gebürtige Münchner in den Jahren von 1966 bis 1984 konsequent an. Der gelernte Rechtsanwalt realisierte die Hochwasserfreilegung inklusive des Pumpsystems unterhalb der Ufermauer und leitete die Sanierung von 27 Objekten ein. Während seiner Bürgermeisterzeit erhöhte sich die Anzahl der Altstadtwohnungen von 64 auf 194. Eine extrem wichtige Entwicklung, wenn man die Wohnregion Altstadt und Grüben heute betrachtet. Das Mautnerschloss wurde zu einem Schulungszentrum umfunktioniert. Die Modernisierung der Altstadt machte Burghausen zu einer Beispielstadt für eine europäische Kampagne zur Stadterneuerung.
Miesgang präsentierte Burghausen überregional
Georg Miesgang, der auch für den Bayerischen Rundfunk arbeitete, war ein Medienprofi, der die Stadt auch überregional neu darstellte. Der „Salzach-Schorsch“ agierte souverän, eigenwillig und nahm keine Rücksicht auf die eigene Partei. Er wusste, wie man die heimische Industrie und den Mittelstand unterstützen konnte. Die Stadt wuchs von 14.686 Personen auf 18.514 inklusive Zweitwohnungen. In seine Zeit fiel auch die Eingemeindung Raitenhaslachs und die Ansiedlung der Marathon, deren steuerliche Stärke Burghausen zufiel, weil sich die zwei kleinen Orte, auf deren Grund die Raffinerie lag, nicht auf einen Zusammenschluss einigen konnten. Weiters entstanden das überbetriebliche Berufsbildungswerk, das Heilig-Geist-Seniorenheim, das Fotomuseum. Die Infrastruktur der Neustadt erhielt Bahnunterführungen und die heute nicht mehr wegzudenkende Tiefgarage. Das Stadtgebiet vergrößerte sich von 817 auf 1857 Hektar. Er förderte die Jazzwoche und den Fremdenverkehr. Die Übernachtungszahlen schnellte von 54.000 (1966) auf 72.000 (1983) nach oben. Es entstanden das Hallenbad, die Hans-Kammerer- und die Gruber-Schule. Raitenhaslach erhielt eine Turnhalle, die 1868er ebenfalls eine solche, inklusive der Sportanlagen.
Mut und Riskiobereitschaft
Nach dem Intermezzo von Fritz Harrer, der sein sicheres Landtagsmandat zugunsten des Burghauser Bürgermeisteramts aufgab, folgte Rekordmeister Hans Steindl, der seit 1990 und noch bis 2020 regieren sollte. „Ich glaube, die Leute wollten damals einfach einen Wechsel“, sagt der frühere JU-Vorsitzende Beppo Nachmann, der heute eine renommierte Kanzlei in München führt, anlässlich des 70-jährigen CSU-Jubiläums. Hans Steindl war damals 40 Jahre alt, dynamisch und versammelte als Lehrer viele junge Menschen hinter sich. Er ist eine politische Mischung zwischen Georg Schenk und Georg Miesgang, der in ihm schon früh seinen Nachfolger sah. Steindl setzte sich für Soziales ein, stärkte die Sportvereine und Schulen. Er bewies eine Mischung aus Mut und Risiko. Wirtschaftlich entscheidend war zuletzt u.a. der Bau des Güterverkehrszentrums im Marktler Wald, welches zukunftsweisend in Bayern ist. Hier nahm die Stadt das Zepter in die Hand, obwohl es von der Bayerischen Gemeindeordnung so nicht möglich war. Andererseits wäre sonst nie etwas weitergegangen. Augsburg, mit dem selben Projekt nahezu gleichzeitig gestartet, ist heute noch keinen Schritt weiter.
Steindl:
Die Zeichen der Zeit erkannt
Ins politische und finanzielle Risiko ging Steindl mit der Sanierung und Erweiterung des Hallenbades, das 2005 neu eröffnet wurde. Was heute eine absolute Erfolgsgeschichte und ein Magnet für eine Region von Niederbayern über Oberösterreich und teilweise bis hinunter nach Salzburg ist, hätte Steindl auch den Kopf kosten können. Nicht minder mutig war der Kauf der Klosterareals Raitenhaslach. „Für das hatten wir damals keinen Nutzungsplan. Aber wir wollten diesen Fleck nicht privaten Investoren überlassen“, so Steindl. Das große Glück war die Verbindung zu Prof. Wolfgang A. Herrmann, dem Präsidenten der TU München, der den Prälatenstock in seine Ideen für die Exzellenzinitiative einbaute. Jetzt läuft der Nutzungsvertrag für diesen Treffpunkt von Wissenschaftlern aus aller Welt 25 Jahre. Auch die gemeinsame Arbeit für den Hochschulstandort Burghausen brauchte lange Zeit. Was 2004 begann, geht heuer erfolgreich zu Ende. Der Landkreis, der den Zuschlag für das Projekt erhielt, entschied für Burghausen als Studentenstadt. Wie seine Vorgänger brauchte auch Steindl viel Zeit, um spannende und zukunftsweisende Projekte zu realisieren und ein großes überparteiliches Netzwerk zu entwickeln, das die Zeichen der Zeit erkannte.