BURGHAUSEN. Prof. Dr. Britta Bolzern-Konrad spricht begeistert von der rasanten Entwicklung des Campus Burghausen. Der Startschuss für das Projekt fiel im Prinzip erst im Juni 2015. Anfang Oktober nimmt der Ableger der Hochschule Rosenheim Fahrt auf. Dann starten die ersten Studenten in den Fächer Betriebswirtschaft und Chemieingenieurwesen. „Der zentrale Punkt ist die Begeisterung, mit der alle Beteiligten vor Ort ans Werk gehen. Es geht alles sehr professionell und schnell. Alle helfen zusammen, dass wir hier etwas Gutes auf die Beine bekommen.“ Es ist schon sehr gut, was die „Mutter der Hochschule“ und Wifög-Geschäftsführer Anton Steinberger vor allem in den letzten sieben bis acht Monaten realisiert haben. Die Umbauten im ehemaligen COC-Gebäude in der Marktler Straße und die inhaltliche Konzipierung des Lehrplanes sind auf beeindruckende Weise Hand in Hand gegangen.
„Man darf hier wirklich nichts verschlafen. Wenn ich da allein nur an die Technik denke. Die Datenleitungen mussten sehr schnell beantragt werden, sonst könnten wir gar nicht starten. Das fällt so nicht auf, wäre aber fatal, wenn hier die Vorgaben nicht eingehalten würden. Anton Steinberger hat da in allen Bereichen beste Arbeit geleistet“, lobt Bolzern-Konrad. Die beiden sind im Prinzip das Kernteam, das sich „hervorragend versteht, aber auch sehr gut zusammenarbeitet“, wie Steinberger erzählt.
Großer Erfahrungsschatz
Britta Bolzern-Konrad kann auf einen großen Erfahrungsschatz aus Wirtschaft und Wissenschaft zurückgreifen. Die gebürtige Wuppertalerin absolvierte eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Später studierte sie Textilingenieurwesen und schrieb ihre Diplomarbeit über das Recycling von Autosicherheitsgurten. Später stieg die Wahl-Raublingerin ins technische Marketing im Bereich der Airbagentwicklung ein und arbeitete eng mit Wacker zusammen. Außerdem sammelte sie Erfahrung in der Standortentwicklung für ein mittelständisches Unternehmen. Die Kombination aus kaufmännischen Wissen, Fachkompetenz im Chemiebereich und dem Verständnis für Marketing, Vertrieb und Unternehmensentwicklung sollte später für den Campus Burghausen Gold wert sein. Das konnte Britta Bolzern-Konrad aber noch nicht wissen, als sie aus persönlichen Gründen nach Bayern umsiedelte und in Raubling ihre privaten Zelte aufschlug.
Die Hochschule Rosenheim suchte im Rahmen eines Mentorenprogramms Frauen aus der Industrie und so bekam die 1967 geborene Westfälin Kontakt zum Dozentenwesen. Schließlich entschied sie sich für ihre Doktorarbeit aus den Bereichen Management und Ökonomie. „Das ist eine Kombination, die mich fasziniert“, sagt die Entwicklungshelferin des Campus Burghausen.
Burghausen fasziniert
Im Juni 2015 lud sie dann Hochschul-Präsident Prof. Heinrich Köster zu einem Gespräch, das die Entwicklung der Außenstelle Burghausen zum Inhalt hatte. „Bis zum Oktober 2015 musste das gesamte Konzept stehen. So sprach ich mit allen relevanten Kräften aus der heimischen Industrie. Das war enorm wichtig“, so Bolzern-Konrad. Dieser Beirat aus Experten konnte seine Wünsche genau formulieren. So wurden die Anforderungen der Industrie miteinbezogen. „Das war eine ganz tolle Erfahrung. Ich konnte alles brauchen und habe viel dazugelernt“, so die Professorin. Im nächsten Schritt wurde detailliert recherchiert, was die anderen Hochschulen anbieten. Schließlich sollte sich das Angebot in Burghausen von anderen abheben. „Zu diesem Zeitpunkt half mir ein Chemie-Student der LMU. Er hat sehr gute Arbeit geleistet. Es hat einfach alles zusammengepasst. Außerdem spürte ich überall das Feuer. Alle hatten Lust, das Projekt so gut wie möglich umzusetzen“, fasst Bolzern-Konrad zusammen. Als Spezialitäten bietet der Campus nun die Polymere, die Biochemie und einen frühzeitigen Einstieg in die Mikroprozesstechnik an. Projektarbeiten in der Industrie bringen den direkten Weg in die Anwendbarkeit und in wirkliche Spezialitäten mit sich. Das Berufsbildungswerk stellt seine Labore zur Verfügung. Außerdem kann ein vorhandenes Simulationsprogramm genutzt werden. Die jungen Wissenschaftler haben kurze Wege. „Sehr wichtig ist, dass wir Dozenten gefunden haben, die in der Region sehr verwurzelt sind und dieses Gefühl auch nach außen tragen. Wir haben hier eine ganz besondere Atmosphäre, die schon vor dem Start greifbar ist. Das alles ist nur möglich, weil eine große Gemeinschaft mit Feuer bei der Sache ist“, so Prof. Dr. Britta Bolzern-Konrad abschließend. (uk)
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Turbo-Projekt für den besten Standort
Campus Burghausen: Von der Planung zur Realisierung in wenigen Monaten
BURGHAUSEN. Wenn Wifög-Geschäftsführer Anton Steinberger von seinem Balkon hinüber auf das ehemalige COC-Gebäude blickt, kann er stolz sein. „Mit unserem kleinen Team haben wir innerhalb von fünf Monaten sehr viel umgesetzt. Wir mussten planen, ausschreiben und koordinieren. Es hat alles geklappt“, sagt der Fridolfinger, der seitens der Stadt Burghausen federführend in Sachen Hochschulprojekt war.
Seit 2004 lebte der Traum von einem Hochschulableger in Burghausen. Damals gab es schon Kontakte nach München. Es wurde viel diskutiert. Die Industriepartner taten sich zeitweilig sehr schwer mit dem Projekt. Sie wollte keine feste Verträge eingehen, die den Studenten einen sicheren Arbeitsplatz nach dem Studium suggerieren sollten. „Das alles haben wir in sehr guten Gesprächen im vergangenen Herbst zur Zufriedenheit aller gelöst. Die enge Kooperation bringt uns einen wichtigen Mehrwert, verpflichtet aber niemanden“, sagt Prof. Dr. Bolzern-Konrad.
Heckners großes Engagement
Der Campus Burghausen in der Marktler Straße ist mittlerweile für niemanden mehr zu übersehen. Das Interesse an den ersten beiden Studiengängen ist immens. Die Plätze werden nach jetzigem Ermessen ausgebucht. „Zu uns kommen Menschen aus unterschiedlichen Regionen. Oftmals treffe ich sie, weil mein Büro gleich neben dem Campus-Büro liegt“, sagt Steinberger. Er schmunzelt, wenn er erzählt, dass der eine oder andere Burghausen vom Fußball kennt. Dass es einen solch gewaltigen neuen Schwung für den gesamten Landkreis Altötting und für Burghausen im Speziellen gibt, ist dem im Vorfeld großen politischen Engagement von MdL Ingrid Heckner zu verdanken. Richtig in Schwung gekommen ist das Projekt „Hochschule in der Region“ mit dem Dezentralisierungsbeschluss der bay-erischen Staatsregierung, die damit die ländlichen Regionen stärken wollte. Dann kam es aber wie es immer kommt: zu einem Ränkespiel im Hintergrund. Obwohl anders vereinbart, trat plötzlich der Landkreis Rottal-Inn in den Ring. „Es war damals klar vereinbart, dass das Rottal die Studiengänge für Gesundheit erhält und wir den technisch-chemischen Bereich. Deshalb gab es noch intensive Interventionen unsererseits“, erzählt Ingrid Heckner. Sie gilt für alle als Triebfeder des Hochschulzuschlags für den Landkreis Altötting. Der Kreistag beschloss letztendlich den Standort nach Burghausen zu vergeben. Auch Burgkirchen hatte großes Interesse angemeldet. Für Landrat Erwin Schneider war die Salzachstadt, aufgrund der ansässigen Infrastruktur immer die richtige Wahl.
Glückliche Umstände
So schön die Entscheidung pro Landkreis Altötting auch war, so schwierig gestalteten sich manche Entscheidungen. Hintergrund sind die Investitionen in die eventuell komplett neuen Gebäude und die daraus entstehenden laufenden Kosten für den Unterhalt. Diesen müssen der Landkreis und die Stadt Burghausen gemeinsam tragen. Es gibt genügend Landkreise und Städte, die sich solche Projekte auf Dauer nur ganz schwer bis gar nicht leisten können. Niemand konnte einschätzen, ob die kritische Masse von 700 bis 800 Studenten wirklich erreicht werden kann. Burghausen hat als Standort voll eingeschlagen. Für die ersten beiden von insgesamt vier Studiengängen haben sich knapp 300 Interessenten angemeldet. 85 werden zum Auftakt genommen. Bei der Standortfrage kam Burghausen ein glücklicher Umstand entgegen. „Die COC AG suchte für uns genau zum richtigen Zeitpunkt einen neuen Standort, den wir in Lindach auftun konnten“, freut sich Anton Steinberger. Wie Bürgermeister Hans Steindl weiter ausführt, hat die Stadt das Nachbargrundstück und auch das ehemalige VR-Bank-Gebäude in der Robert-Koch-Straße erworben. „Mittelfristig wird hier ein zusammenhängender Campus entstehen. Ein Campus der kurzen Wege“, sagt Steindl. Das sind alles glückliche Fügungen für die-se Idee. Zuvor waren vier Standorte in der Auswahl und Investitionskosten von bis zu 15 Millionen Euro. Den Hochschul-Entwicklern um Anton Steinberger spielte zudem die sehr offene Haltung der Industriepartner in die Karten. So können die Labore des Berufsbildungswerkes genutzt werden, was mehrere Millionen Euro spart.
Fünf rasante Monate
Von Oktober weg ging es dann Schlag auf Schlag. Nachdem man sich über die Ausbaumaßnahmen einig war, nahm Anton Steinberger Stift und Telefon in die Hand. „In den fünf Monaten von Februar bis Juli haben wir geplant, ausgeschrieben und 500.000 Euro investiert. Das ist schon ein hohes Tempo“, erklärt der Fridolfinger. Die Umgestaltung des COC-Gebäudes schafft Platz für 300 Studenten. Damit sind die ersten beiden Jahre des Campus Burghausen gesichert. Im nächsten Schritt soll dann noch das Erdgeschoss genutzt werden, was erst möglich ist, wenn der dort noch ansässige Laden eine neue Bleibe gefunden hat. Ab dem nächsten Jahr widmet sich Steinberger dem Nachbargrundstück. Dort entsteht ein baugleiches Campus-Gebäude, das etwa 4,5 Millionen Euro kosten wird. Auch das VR-Bank-Gebäude wird nach und nach nutzbar gemacht. Der Raiffeisensaal bietet sich in diesem Zusammenhang schon jetzt für Veranstaltungen an. „Außerdem arbeiten wir an einer Campus-Card für die Studenten, die viele Vorteile bieten wird. Das Interesse der Firmen an diesem Angebot ist durchaus groß“, meint Anton Steinberger abschließend. (uk)