Waldrappe: Menschengeführte Migration 2016 – erfolgreicher Start
SEEKIRCHEN/BURGHAUSEN. Am 19. August ist die menschengeführte Migration 2016 in gestartet. Um 10.30 Uhr verließen zwei Fluggeräte und 25 Vögel das Trainingscamp in Seekirchen am Wallersee. Die Route führte entlang dem Tennengebirge und dem Dachsteingebirge nach Süden, dann dem Salzachtal nach Westen folgend bis Bramberg am Wildkogel, am Rande des Nationalparks Hohe Tauern. Rückenwind unterstützte den Flug am Großteil der Strecke, weshalb die Formation bei ca. 42 km/h Eigengeschwindigkeit auf bis zu 78 km/h Reisegeschwindigkeit kam. Nach 3 Stunden 15 Minuten Flugzeit und einer Strecke von 170 Kilometer landete die Gruppe am ersten Ettappenort.
Während des Fluges:
Angriff zweier Steinadler
Projektleiter Johannes Fritz: „Ein fantastischer Start. Alle 25 Vögel sind mitgeflogen, haben teilweise schon eine deutliche V-Formation gezeigt und auch die einsetzende Thermik sehr gut genutzt. Das sind beste Voraussetzungen für den weiteren Verlauf der Migration.“ Einzig im Salzachtal kam es beim Überfliegen eines Bergrückens zu einer dramatischen Situation. Zwei Steinadler, vermutlich ein Paar, flogen wiederholt heftige Attacken gegen die Vögel. Diese reagierten sehr gut, indem sie in alle Richtungen auswichen und sich dann gleich wieder in Gruppen formierten. Pilot Walter Holzmüller: „Nach dem ersten Schreck kehrten wir den Spieß um und verfolgten die Adler, woraufhin diese schließlich abließen und abflogen.“ Vermutlich wurde der Angriff durch die Nähe zum Horst ausgelöst. Zwei Vögel sind derzeit verschollen (Anmerkung: bis Redaktionsschluss keine Neuigkeiten).
Wetterbedingt machte das Team drei Tage Pause in Bramberg. Am Dienstag 23. August ging die Reise weiter, entlang einer ganz neuen Route. Die große und anspruchsvolle Etappe führte ins Zillertal, in zirka 2.500 Meter Seehöhe über den Alpenhauptkamm nach Südtirol, an Bruneck vorbei über die Dolomiten bis nach Belluno. Dort angekommen ging es nach zwei Tagen weiter nach Valle Gaffaro. (Anmerkung der Redaktion: Endstation für die Vögel ist die WWF Oasi Laguna di Orbetello, welche bis Redaktionsschluss noch nicht erreicht wurde).
Herausforderung
für Mensch und Tier
Die Reise mit den Vögeln ist nicht nur für die Flugformation eine große Herausforderung, sondern auch für das Begleitteam, das aus 15 Personen besteht, mit sechs Fahrzeugen und drei Anhängern. Mit dabei ist eine Voliere neun mal zwölf Meter, die in ca. 1.5 Stunden auf- bzw. abgebaut werden kann. Johannes Fritz: „Wir haben uns für diese Routen entschieden, da unsere bereits ausgewilderten Vögel bevorzugt in dieser Region die Alpen überfliegen.“
Zugtradition wieder
antrainieren
Waldrappe zählen zu den bedrohtesten Vogelarten der Erde. Im Rahmen eines von der Europäischen Union kofinanzierten LIFE+ Projektes wollen acht Partner diese Ibisart wieder in Europa heimisch machen. Der größte Anspruch besteht dabei darin, den Vögeln wieder eine geeignete Zugtradition anzutrainieren. Das ist das Ziel der menschengführten Migrationen. So lernen die Gründerindividuen die Flugroute und geben diese Tradition dann an ihre Nachkommen weiter. Inzwischen leben wieder annähernd 100 Waldrappe als Zugvögel in Europa. Es ist der erste Versuch, eine ausgestorbene Zugvogelart wieder anzusiedeln.
Wissenschaftliche
Erkenntnisse
Während der Migration werden wissenschaftliche Daten gesammelt, um den Formationsflug und das Zugverhalten der Vögel zu erforschen. Zum einen tragen alle Vögel Datenlogger am Rücken, die zehnmal pro Sekunde in hoher Auflösung die Position aufzeichnen und eine detaillierte Analyse der Flugtechnik und der Gruppendynamik zulassen. Zudem werden im Rahmen von zwei Flügen bei einigen Vögeln Blutproben genommen, um die physiologische und hormonelle Regulierung des Migrationsflugs zu untersuchen. Außerdem tragen alle Vögel Peilsender, um sie gegebenenfalls mittels Richtantennen wiederzufinden.
Wertvolles Ehrenamt
in Burghausen
„Ohne die unermüdliche Mithilfe der ehrenamtlichen Mitarbeiter vor Ort und die Unterstützung der Stadt Burghausen, wäre der Aufbau der Brutkolonie am Pulverturm nicht möglich“, so Oliver Habel der seit heuer für das Management der Waldrappkolonie in Burghausen verantwortlich ist. Jedes Jahr lernen immer mehr Waldrappe die Zugroute in den Süden. Jeder Waldrapp, der nach seiner Geschlechtsreife wieder selbständig nach Burghausen zurückkommt, ist ungemein wertvoll für das ganze Projekt. Heuer lebten sieben Adultvögel in Burghausen. Zwei Brutvögel zeugten ingesamt sechs Junge. Ca. 1.000 Besucher besichtigten die seltenen Vögel an der Burgmauer, nahe des Pulverturms, der seit zwei Jahren als Brutstätte dient.
Auch außerhalb der Brutsaison kann man sich über den Waldrapp informieren. Oliver Habel hat in seinem Laden (Kunst und Schmuck aus Glas - In den Grüben 161 - am Bichl) einen Infostand eingerichtet. Herr Habel gibt gerne nähere Auskünfte über das Projekt. (pt/mw)
Weitere Informationen:
Fotos sowie Informationen zum Projekt und zum derzeitigen Stand der Reise unter: http://www.waldrapp.eu
sowie auf facebook unter:
https://www.facebook.com/Waldrappteam
Winterquartier WWF Oasi Laguna di Orbetello:
Seit 2002 gilt die WWF Oasi Laguna di Orbetello als gemeinsames Wintergebiet der Waldrappe. Sie legen auf ihren Weg dorthin eine mehr als 1000 Kilometer lange Flugstrecke aus dem Brutgebiet entweder alleine, gemeinsam mit unerfahrenen Jungvögeln oder im Rahmen der menschengeführten Migration zurück. Von September bis April verbringen die Waldrappe den Winter im Schutzgebiet. Die Vögel sind während dieser Zeit im permanenten Freiflug. Sie suchen sich tagsüber auf den naheliegenden Wiesen und Feldern ihre Nahrung und kehren zum Schlafen in die WWF-Oase zurück.
Anfang April beginnt die Frühjahrsmigration und die Waldrappgruppe vor Ort wird immer kleiner. Die erwachsenen Vögel (ab 2-3 Jahre) kehren in ihre Brutgebiete zurück. Nur die Jungvögel verbringen zum Teil den ganzen Sommer vor Ort.