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Donnerstag, 12. Mai 2016

„Rechtsfreie Räume werden nicht geduldet“

Im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten
Stephan Mayer über die Sicherheitslage im Deutschland


von Uli Kaiser

DEUTSCHLAND. In den letzten zwei Jahren kamen über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Trotz einer großen Einwohnerzahl von 80 Millionen Bürgern in Deutschland, veränderte sich dadurch das Zahlenverhältnis von Deutschen und Nichtdeutschen. Viele Bundesbürger machen sich – nicht zuletzt wegen solcher Fälle, wie den Übergriffen in Köln – Gedanken, die Regierung habe die Lage in Sachen Flüchtlinge nicht im Griff. Sie sorgen sich um die innere Sicherheit. Die kürzlich veröffentliche Statistik der Landes-
kriminalämter zeigte, dass zwar auch Flüchtlinge Straftaten begehen, jedoch liegt die Kriminalitätsrate von Flüchtlingen und Asylwerbern nahe am Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Aus der polizeilichen Kriminalstatistik geht hervor, dass die Anzahl der Straftaten sogar einen weiteren Rückgang erlebt. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass immer noch tausende unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland leben, die sich u. a. aus Angst vor einer Abschiebung nicht bei den Behörden melden. Auch hunderte deutsche Rückkehrer aus Syrien und dem Irak stellen eine durchaus potenzielle Gefahr dar. Die Zahl der zu beobachtenden Menschen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Parallel dazu sorgen rechte und linke Chaoten für Aggressionen und Gewalt. Allein drei politisch rechts motivierte Gewalttaten täglich, haben die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr im statistischen Mittelwert registriert – insgesamt waren es 1.054. Am häufigsten betroffen waren Migranten, Flüchtlinge und Afrodeutsche sowie nicht-rechte Jugendliche und Erwachsene. 
Die Statistik der Landeskriminalämter hält zudem fest: Der Respekt vor unserem Rechtssystem ist gesunken – die Hemmschwellen bei Gewalttaten gegenüber Sicherheitsbeamten ist gestiegen. Ein Gespräch mit MdB Stephan Mayer.

ISK:  Herr Mayer, im Grunde haben wir ein gutes Rechtssystem. Leider wurden in den letzten Jahrzehnten viele Grenzen aufgeweicht, Gerichte urteilten teils sehr milde. Was unternimmt der Bund, damit Gesetze im Sinne der Sicherheit strikter durchgesetzt werden?  

Stephan Mayer: Recht und Ordnung müssen durchgesetzt werden, auch im Strafrecht. Im Bereich des Strafrechts gilt zudem der Grundsatz, dass die Wirkung einer Verurteilung umso nachhaltiger ist, je rascher sie erfolgt. Dies bedeutet, dass die Länder ihre Justiz mit genügend Personal ausstatten müssen, um Strafverfahren zügig durchführen zu können. Es ist allerdings nicht zu verhehlen, dass gerade ausländische jugendliche Straftäter und auch solche mit Migrationshintergrund die Anwendung des Jugendstrafrechts und die Verhängung von Bewährungsstrafen als milde empfinden und so wenig Respekt vor unserem Rechtsstaat haben. Hier sollten die Gerichte in jedem Einzelfall prüfen, welche Strafe notwendig ist, um eine erzieherische Wirkung zu entfalten.

ISK:  Polizeipräsenz wirkt sehr oft präventiv. Doch die Zahl der Beamten ging nach unten. Eine Polizistin schlug mit ihrem Buch „Deutschland im Blaulicht“ Alarm. Sie sagt, der Staat verliere die Hoheit auf der Straße. Panikmache oder Realität? 

Stephan Mayer: Fest steht, die teilweise Respektlosigkeit unseren Polizistinnen und Polizisten gegenüber ist erschreckend. Gerade weil sie unseren Staat repräsentieren, tritt man ihnen gegenüber geringschätzig auf, bis hin zu Gewalttätigkeiten. Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Strafrecht bei Gewalt gegen Polizeibeamte bereits verschärft. Aktuell befinden wir uns in intensiven Gesprächen in der Koalition über Verbesserungen, angefangen von weiteren Verschärfungen bis hin zu einer besseren Ausstattung und Ausbildung. Ich bin sicher, dass wir hier bald mit guten Ergebnissen rechnen können. Da Sie das Buch „Deutschland im Blaulicht“ ansprechen: hier geht es um die Respektlosigkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber Polizistinnen und Polizisten. Diesen Menschen muss unser Rechtsstaat unnachgiebig gegenübertreten, alles andere wird nur als Schwäche unseres Staates ausgelegt. Wenn man bedenkt, dass einige wenige libanesische Großfamilien ein ganzes Land wie Bremen terrorisieren können, zeigt dies die Herausforderungen in diesem Thema. Generell gilt aber: die Bürgerinnen und Bürger vermissen zu Recht den guten alten Schutzmann auf der Straße. Sicherheit braucht den Polizisten vor Ort. Der Bund und einige Länder gehen hier mit guten Beispiel voran. Der Bund wird die Bundespolizei in den nächsten drei Jahren massiv ausbauen und über 3.500 neue Stellen schaffen. Es wäre für die Sicherheit im Land gut, wenn dem alle Bundesländer folgen würden. Denn wer an der Polizei spart, spart auch immer an der Sicherheit der Bürger.

ISK:  Viele Bürger kritisieren: „Beobachtet wird viel. Gemacht wird erst dann etwas, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Das gilt für die Themenkomplexe Rechts oder Links oder für extremistische Prediger in Moscheen. Warum ist dies so? 

Stephan Mayer: Gesetzgebung, auch im Bereich der Inneren Sicherheit, ist häufig reaktiv, das stimmt und hängt damit zusammen, dass sie oft eine Reaktion auf bestimmte Entwicklungen ist. Wir haben allerdings jüngst mit einer Reihe von Vorhaben auch zuletzt sehr rasch auf gefährliche Entwicklungen reagiert, so etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus mit der Einführung einer Strafbarkeit von Ausreisen in Terrorcamps und der Möglichkeit, den Reisepass zu entziehen. Oder denken Sie an die Ereignisse in Köln und anderen Orten an Silvester. Hier haben wir innerhalb kürzester Zeit die Regelungen über eine Ausweisung straffälliger Ausländer deutlich verschärft. Andere Diskussionen, wie etwa die Frage einer Einführung von Höchstspeicherungsfristen für Telekommunikationsdaten wurden dagegen in der Tat jahrelang geführt, was aber gerade in dem Fall sicherlich nicht an der Union lag.

ISK: Der Leipziger Polizeipräsident sprach von einer ziemlich bedenklichen „Pogrom-Stimmung“. Er erinnerte damit indirekt an die Reichspogromnacht. Welche praktischen Möglichkeiten gibt es, hier entgegenzusteuern? 

Stephan Mayer: Vergleiche mit der Zeit des Nationalsozialismus gehen oft fehl. Richtig ist aber, dass eine Hetze gegen Flüchtlinge oder Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte mit aller Härte unseres Rechtsstaates verfolgt werden müssen. Rechtsfreie Räume werden wir auch dort nicht dulden, notfalls eben mit einer massiven Polizeipräsenz vor Ort. Man kann und muss angesichts der massiven Umwälzungen für alle Bereiche unseres Staates in einer freiheitlichen Demokratie über die Flüchtlingspolitik und ihre ganz konkreten Folgen für die einheimische Bevölkerung sicherlich streitig diskutieren. Es gibt aber keinerlei Rechtfertigung, Menschen, die bereits in unserem Land sind, anzugreifen. Der Kampf gegen einen solchen gewalttätigen Extremismus muss mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen geführt werden: angefangen von zivilgesellschaftlichen Initiativen über eine konsequente strafrechtliche Verfolgung bis hin zu einer umfassenden nachrichtendienstlichen Aufklärung. Unsere Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern arbeiten hier eng zusammen, beispielsweise im etablierten Terrorabwehrzentrum-Rechts in Köln.

ISK: Immer noch bewegen sich tausende unregistrierte Flüchtlinge in unserem Land. Wie will die Regierung dieses Problem in den Griff bekommen? 

Stephan Mayer: Bei sehr hohen Zugangszahlen wurden im vergangen Jahr teilweise nicht alle erfasst und registriert, die nach Deutschland eingereist sind. Das hängt auch damit zusammen, dass im Schengenraum umfassende stationäre Kontrollen nicht mehr der Regelfall sind. Ob dies haltbar ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Schutz der Schengen-Außengrenzen künftig besser funktioniert als bisher. Die vollständige Registrierung wird mittlerweile auch mit dem sogenannten Ankunftsnachweis gewährleistet. Mit dem neuen zentralen Datensystem für Bund, Länder und Kommunen gibt es eine umfassende Registrierung und vor allem eine eindeutige Identifizierung. Mobile Teams nehmen dies derzeit für diejenigen vor, die bei Einreise im vergangenen Jahr nicht erfasst wurden.

ISK: Rückführungen von Asylwerbern aus „sicheren Herkunftsstaaten“ ist schwierig und personell sehr aufwändig. Was lässt sich tun, um dies zu vereinfachen?

Stephan Mayer: Der Bund unterstützt die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Bundesländer massiv, etwa durch Bundespolizisten und logistische Hilfe bei der Beschaffung von Passersatzpapieren. Deutschland hat die Zahlen der Rückführungen gegenüber 2014 auf 20.888 verdoppelt, allerdings auf Basis einer viel größeren Zahl von Ausreisepflichtigen. Bundesminister de Maizière setzt sich zudem nachdrücklich für die Rücknahme durch die Herkunftsstaaten, beispielsweise in Nordafrika ein.

ISK: Vielen Dank für dieses Gespräch.

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Nachträgliche Anmerkung der Redaktion zum Punkt "Rückführung":

Trotz Kritik von Kirchen und Menschenrechtsorganisationen hat der Bundestag am Freitag, den 13.5. 2016 die Einstufung der Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten beschlossen.

424 Abgeordnete stimmten dafür, 143 dagegen, 3 enthielten sich. 
Der Neuregelung muss allerdings auch der Bundesrat zustimmen. Linke und Grüne stehen dieser Entscheidung ablehnend gegenüber. 
Gründe dafür sind, dass in diesen Algerien, Tunesien und Marokko Homosexuellen und politisch Andersdenkenden und Verfolgten die Todesstrafe droht, weiters Frauen nur unter Diskriminierung leben können. Asylanträge will man weiterhin individuell prüfen.

Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus diesen drei Maghreb-Staaten liegt derzeit bei unter einem Prozent. (mw)