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Donnerstag, 14. April 2016

Chancen für Salzachfische


Einstige Regulierungsmaßnahmen
zwängten die Salzach in ein enges Korsett


von Gerhard Auer


REGION. Wer die Salzach nur im Umkreis von Burghausen kennt, der sieht wenig von den Schäden, die ihr durch die Begradigung und Kanalisierung ab 1820 zugefügt wurden. Da zwängt sie sich spektakulär von Nonnreit abwärts bis unterhalb Burghausen durch eiszeitliche Endmoränen. An den kahlen Steilhängen beim Kreuzfelsen kann der Kundige die Schichten ablesen, die mehrere Eiszeiten übereinander abgelagert haben. Im kurvenreichen Flussbett lagern wechselseitig Kiesbänke, bei Niedrigwasser von Jung und Alt gerne aufgesucht zu allerlei Erforschung, spielerischem und erholsamem Vergnügen. 

Begradigter eingezwängter Flusslauf bringt Probleme

Von Tittmoning aufwärts ändert sich das Bild. Die Salzach kommt daher in autobahnähnlich gestreckter Bahn, von steiler Uferverbauung auf einheitlich gut 100 Meter eingezwängt. Man wollte mit dieser über 100 Jahre dauernden Korrektion eine saubere Grenze zu Österreich schaffen, nutzbares Auengelände gewinnen und jährliche Verwüstungen des weitverzweigten Flussbettes bannen. Die Salzach biete den getreuen Spiegel verwahrloster Flüsse, stellte das wassertechnische Gutachten vor der „Zivilisierung“ fest. Die beabsichtigte Flussbetteintiefung stellte sich nach und nach ein, bis sie mit der Errichtung der Wasserkraftwerke im Mittellauf der Salzach katastrophale Formen annahm, von der Saalachmündung flussab fortschreitend. Die Auen wurden vom Fluss abgetrennt, der Niveauunterschied stieg zunehmend an, und die Kies-auflage im Flussbett, die die darunterliegenden weichen Seetonschichten vor unkalkulierbarer Erosion schützt, wurde durch die Wucht der Hochwässer ausgeräumt. Heute bräuchte die Untere Salzach für eine stabile Sohllage jährlich 100.000 Kubikmeter Kies, es kommen aber nur 20.000 bis 30.000 an. Wenn nichts geschieht, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis auch im Tittmoninger Becken bis herunter nach Burghausen die letzten Kiesbänke verschwunden, Brücken und ufernahe Bauten gefährdet wären.                                



Trotz guter Wasserqualität
nur wenig Leben im Fluss


Die Kanalisierung des Flussbettes und der Verlust der strukturreichen Nebenarme und Auengewässer hinterlässt seit Jahrzehnten Spuren bei den Fischbeständen der Salzach. Neuere Erhebungen signalisieren trotz guter Wasserqualität einen alarmierenden Zustand: „Die Fischdichten und 
-biomassen im Hauptstrom liegen auf einem außerordentlich niedrigen Niveau und ergeben einen fisch-ökologischen Zustand gemäß Wasserrahmenrichtlinie von fünf (= schlechter Zustand). Aktuell werden nur mehr 13 Kilogramm pro Hektar gefunden. Wirksame Maßnahmen müssen sich an den im Referenzzustand auftretenden Habitaten orientieren, die derzeit mangelhaft vertreten sind.“ (Fischökologischer Zustand der oberösterreichischen Salzach, ezb-TB Zauner GmbH, 2009). Referenzzustand bezieht sich auf das ökologische Leitbild für die Sanierung der Unteren Salzach von Laufen bis Burghausen und meint den Zustand vor der Regulierung. Dieser Befund, der von historisch belegten 40 Fischarten des Hauptstromes nur noch 17 nachweisen kann, resultiert aber nicht nur aus der radikalen Strukturverarmung der Salzach selbst, sondern auch aus dem Ausbleiben der jährlichen Laichzuwanderungen aus dem Inn, da dessen Wanderwege bis hinab zur Donau durch Stauwehre unterbrochen und die erforderlichen Habitate der Kieslaicher im Inn durch die Stauhaltungen erheblich beeinträchtigt sind.( Die historische und aktuelle Fischfauna der Salzach – ein Vergleich mit dem Inn, B.Schmall und C.Ratschan 2011).                                                                                                                    
Fischschwund mit Besatz nur 
notdürftig auszugleichen

Dem Schwund der einst massenhaft dominierenden Salzachfische wie Nase, Barbe, Aitel, Äsche und zahlreicher Kleinfischarten, an dem im Übrigen fast alle bayerischen Alpenflüsse leiden, versucht die Fischerei mit stützenden Besatzmaßnahmen zu begegnen. Aus dem staatlichen Fischereifond wird landesweit der Besatz mit einsömmerigen Nasen, Rutten, Äschen und Bachforellen mitfinanziert. Bei der Äsche wirkt diese Maßnahme wohl noch am besten. Aber diese Fischarten sind ja wegen der Strukturmängel so dramatisch zurückgegangen, sind also letztlich nur durch die Verbesserung ihrer Lebensräume zu selbsterhaltenden Beständen zu entwickeln. „Eine naturnahe Bewirtschaftung, die angesichts der hohen Kosten für Pacht und Bewirtschaftung für die Vereine auch wirtschaftlich umzusetzen ist, kann im Gebiet wohl nur durch Lebensraum verbessernde Maßnahmen erleichtert bzw. ggf. ermöglicht werden; sprich ambitionierte Revitalisierungsmaßnahmen. Beim derzeitigen hydromorphologischen Zustand der Salzach ist nicht auszuschließen, dass eine kostendeckende Bewirtschaftung des Gewässers nur mit einer ökologisch unerwünschten „put and take“ Bewirtschaftung mit nicht standorttypischen, fangfähigen Salmoniden möglich ist.“ 

Fischbestände und 
fischfressende Vögel

Interaktionen zwischen Prädatoren (Kormoran und Gänsesäger) und Fischbeständen fallen in Gewässern mit geringem Fischbestand, diesbezüglich sensiblen Arten und schlechter Gewässerstruktur besonders empfindlich auf. Nach der ezb-Studie treffen diese drei Faktoren in der Salzach in hohem Ausmaß zu. So schätzt die Studie, dass 5,5 Kormorane an 210 Tagen theoretisch den jährlich nachhaltigen Fischertrag (20 bis 30 Prozent des Bestandes) in der in Frage stehenden Salzachstrecke abschöpfen könnten. Was unterhalb des Beuteschemas der Kormorane liegt, wird leichte Beute von Gänsesägern. Seit dem Auftreten der Kormorane zu Beginn der 90er-Jahre ist der fortschreitende Niedergang der Fischbestände vielfach dokumentiert. Abhilfe kann auch hierbei eine umfassende Verbesserung der Gewässerstrukturen schaffen, die den Fischen genügend Habitate bieten, die für die Prädatoren schwer oder nicht erreichbar sind.

Ziele der Salzachsanierung –
fünf Varianten im Rennen


Die abgeschlossenen Planungen zur Sanierung der Unteren Salzach haben als oberstes Ziel die Wiederherstellung einer dynamisch-stabilen Flusssohle. Die Tendenz fortschreitender Eintiefung soll verhindert und weitest möglich umgekehrt werden. Gleichzeitig gebietet das ökologische Leitbild die bestmögliche Wiederherstellung des alten Flussbettes mit seinen zahlreichen Nebenarmen, ausgedehnten Kiesflächen und die aquatische Vernetzung mit den großflächigen Auen. Dies soll, je nach Variante unterschiedlich, durch Schleifung der Uferverbauung und Flussbettaufweitung, Wiederbelebung alter Nebenarme und kiesstauende raue Sohlrampen von bis zu 2,5 Meter Höhe geschehen. Kraftwerkslösungen unter Nutzung deutlich höherer Rampen sollten aus Sicht des Naturschutzes und der Fischerei nicht in Frage kommen, da sie mit massiver Verankerung und Uferverbauung an ihren Standorten auf unabsehbare Zeit wieder die laterale Vernetzung einschränken. Für flussabwandernde Fische bedeuten Turbinen ständige Verletzungs- und Lebensgefahr. Zum gesamten bayerischen Strombedarf könnten die drei Salzachkraftwerke gerade einmal gut 0,1 Prozent beitragen.
Die ökologisch und fischereilich beste Variante ist die Naturflussvariante (amtlich Verzweigungsvariante). Sie beinhaltet eine Aufweitung bis zu 210 Meter, die Revitalisierung historischer Seitenarme mit ganzjährig hohen Abflussanteilen und nur zwei niedrige Sohlrampen, ist also auch für Bootsfahrer gefahrlos zu überwinden. Der „gute ökologische Zustand“ nach europäischer Wasserrahmenrichtlinie wird bereits kurz nach Abschluss der Baumaßnahmen erreicht, bei den übrigen Varianten erst nach Jahrzehnten. So lange darf es aber nicht dauern bis die Untere Salzach wieder ein naturnaher Fluss ist, in dem sich verschwundene Fischarten wieder einfinden und sich alle Fische wieder natürlich fortpflanzen können.  

Entscheidung fällt
noch in diesem Jahr


Die Entscheidung, welche der fünf Sanierungsvarianten gewählt wird, liegt z.Zt. bei der bayerischen Staatsregierung und fällt wohl noch 2016. Der bay-erische Kanuverband hat deshalb, wie schon in den vergangenen Jahren, für den 11. Juni in Zusammenarbeit mit österreichischen und bay-erischen Naturschutz- und Interessenverbänden, z.B. Obb. Fischereiverband, eine große Salzachdemonstrationsfahrt von Tittmoning bis Burghausen mit anschließender Kundgebung auf dem Stadtplatz organisiert, zu der er eine rege öffentliche Beteiligung und Unterstützung erhofft.