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Donnerstag, 20. Juli 2017

Salzachausbau: Wenn Ideologien kollidieren

Umwelt- und Naturschützer wehren sich gegen den Bau von Fließkraftwerken im Tittmoninger Becken

REGION/BURGHAUSEN. Zum fünften Mal demonstrierten, organisiert vom Bayerischen Kanuverband, verschiedene Verbände gegen den Ausbau der Salzach von Salzburg bis Haiming. Die Umwelt- und Naturschützer wehren sich gegen den Einbau von modernen Fließkraftwerken im Tittmoninger Becken. „Drei solcher Kraftwerke bringen nur etwa 30.000 Kilowattstunden. Ein Atomkraftwerk dagegen 1,2 Gigawatt“, erklärte Dr. Hubert Weiger vom BUND Naturschutz. „Wir würden uns nicht gegen Querbauwerke wehren. Bei Kraftwerken würden wir klagen“, fügte Oliver Bungers, Vorsitzender des Bayerischen Kanuverbandes an. 
Die Aktivisten haben durchaus gute Gründe. So sind 95 Prozent der bayerischen Flüsse verbaut. Sie liefern nur etwa 13 Prozent des Stromes. Sie sähen es als sinnvoll an, die 218 größten Kraftwerke auf den neuesten Stand zu bringen und so die Wasserkraft wesentlich intensiver zu nutzen. In der Tat ist die Salzach kurz nach Salzburg bis Haiming der einzige bayerische Fluss, der auf einer derartigen Länge nicht ausgebaut ist. Dr. Norbert Schäffer von den Vogelschützern unterstrich: „Die Menschen wollen immer mehr Natur.“  Die Entwicklung der Salzach zum naturnahen Fluss, der herrliche Auen und Seitenarme hat, würde allen einen erheblichen Mehrwert schenken. 

„Wider besseren Wissens“

Was BUND-Chef Wenger besonders ärgert, ist der Ministerratsbeschluss zum Ausbau aus dem Jahr 2016. „Hier fiel eine Entscheidung wider besseren Wissens. Bereits 1978 hat sich der damalige bayerische Umweltminister Alfred Dick gegen einen Ausbau entschieden, weil die Ökonomie zu viel Ökologie unwiederbringlich zerstören würde.“ Die richtige Balance zwischen Ökonomie und Ökologie ist das oberste Credo, wenn es darum geht, die Natura 2000-Idee umzusetzen. Einerseits soll der aktuelle Zustand von Fauna und Flora mindestens so erhalten bleiben, wie er ist. Andererseits sollen die Bewirtschaftungskonzepte nicht angetas-tet werden. An der Salzach möchten vor allem die Anrainer wie Tittmoning von der Wasserkraft profitieren. Diese grüne Energie ist Teil des Planes, die Tittmoning nach dem Wunsch der Staatsregierung „autark“ machen soll. Den Salzachfreunden könnte man auch entgegenhalten, dass die Österreicher zwölf Kraftwerke betreiben, die rund 1,2 Gigawatt an Strom produzieren. 

Gefährliche Ideologien

Es besteht kein Zweifel, dass regenerative Energien der Weg der Zukunft sind. Doch leider spielt das politische Machtkalkül in sehr unguter Form dort hinein. Ausgangspunkt des aktuellen Dilemmas war Kanzlerin Merkels voreilige Energiewende nach Fukushima 2011. Sie verlegte das Ziel, alleine weil Wahlen in Baden-Württemberg vor der Tür standen, von 2030 auf 2020 nach vorne und machte daraus eine klare Ideologie. Zu strenge Ansichten treiben allerdings wirtschaftlich völlig irrationale Blüten. Die EEG-Umlage summiert sich bis 2025 alleine auf 520 Milliarden Euro. Das Problem sind nicht die Förderungen alternativer Produktion an sich, sondern die Förderungsdauer und -höhe. Ein weiteres massives Problem der Energiewende ist die politische Planlosigkeit. Mit etwas mehr Weitblick und Sachlichkeit hätten seriöse Analysen über die einzelnen Regionen erstellt werden können. In diesen gehört der Erhalt und die Entwicklung von Landschaften wie solcher in der Salzachregion genauso dazu, wie Klarheit darüber, ob Maßnahmen wie die geplanten Fließkraftwerke an manchen Stellen ökonomisch und ökologisch überhaupt sinnvoll sind. Nach 2011 ist ein irrationaler Energiewendeaktionismus ausgebrochen. Und das bekam die Region auch beim Gaskraftwerk in Haiming zu spüren. Alle Genehmigungen standen. Mit dem programmierten Tod aller Atomkraftwerke wurden auch Gaskraftwerke als Unding verteufelt.  Die Rentabilität eines Gaskraftwerkes ist nicht gegeben, wenn es mit nur 10 bis 20 Prozent der wirtschaftlich berechneten Zeit laufen darf und am Ende Politiker über dessen An- und Abschalten entscheiden. Ebenso differenziert muss das teilweise ungezügelte Wuchern von Bio-
gasanlagen betrachtet werden. In Niederbayern gab es 2014 bis 2016 jeweils mehr als 250 Biogasunfälle, die teilweise die Gewässer schwer belasteten. Außerdem sind die Gefahren durch sich entwickelnde Monokulturen und die Verwertung von essbaren Pflanzen als Energieträger durchaus kritisch zu hinterfragen. 

Schnittmengen 
bringen Mehrwerte

Leider wird in der heutigen Zeit sehr viel von Ideologien und politischem Machtkalkül gelenkt. Die Salzach ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Auf der österreichischen Seite entstehen sehr spannende Naturparks in den Salzachauen. Wie die stellvertretende Landeshauptfrau Astrid Rössler in Burghausen berichtete, seien 127 Hektar von angedachten 600 bereits in vollem Umbruch. Die Salzach werde aufgeweitet. Es werden wunderschöne neue Landschaften für Pflanzen, Tiere und Menschen geschaffen. Diese Entwicklung sehen die Salzachfreunde mit leuchtenden Augen. Dieses Projekt ist ein wirklich sehr wichtiges. Die Salzburger machten aber einfach, ohne sich vorher mit den bayerischen Nachbarn abzustimmen. Ein großes Plus dieser naturnahen Flussgestaltung ist ein verbesserter Hochwasserschutz, weil auf diese Weise Rückzugsflächen für das Wasser entstehen. Auf der anderen Seite muss gerade auf der Strecke von Salzburg nach Burghausen auch die umfassende Ökonomie betrachtet werden. Eine neue Salzachbrücke ist von entscheidender Bedeutung. Für den Schwerlastverkehr, der mittelfristig nicht von der Straße zu bekommen ist, gibt es nur die großen Grenz-
übergänge in Burghausen und Salzburg. Weil einzelne Tier- und Pflanzenarten eventuell gefährdet sein könnten, wird gegen die für die Zukunft der Menschen wirklich wichtige Verbindung mit allen Mitteln gekämpft. Auch an dieser Stelle wäre die Betrachtung einer sinnvollen und definitiv realisierbaren Schnittmenge zwischen Ökologie und Ökonomie von absolutem Vorteil, weil somit kein spaltendes, sondern ein zusammenführendes menschliches Miteinander geschaffen würde. (uk)

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Abwägen statt ausgrenzen
Es versteht sich in der heutigen Zeit von selbst, dass Natur und Umwelt nachhaltig geschützt und weiterentwickelt werden müssen. Dazu gehört das bewusste Leben der Menschen, die ohnehin schon sensibilisiert sind. Genauso muss aber Klarheit darüber erlangt werden, dass sich Natur und Lebewesen im Laufe von mehreren Milliarden Jahren immer wieder verändert haben bzw. verändern. Tier- und Pflanzen-

arten sterben aus oder erblühen dort, wo die richtigen Rahmenbedingungen gegeben sind, die selbstverständlich nicht aus Gier zerstört werden dürfen. Alleine der Mensch hat über 9.000 genetische Veränderungen durchgemacht. Schon wenn man sich diese Fakten durch den Kopf gehen lässt, kann das Credo der Zukunft nur lauten: abwägen statt ausgrenzen. Diskussions- und sinnvolle Konsenskultur im Sinne von Natur und menschlicher Zukunft.  Das Gemeinwohl ist vor dem Einzelwohl anzusiedeln. Ich kann keine Autobahn, keinen Flughafen, keine Stromtrassen und Bahnlinien fordern, aber gleichzeitig nichts davon im näheren Umkreis, weil die Ruhe meiner Seele sonst gestört werden könnte.