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Donnerstag, 2. Februar 2017

Chemiedreieck: Stabilität im Stromnetz ist entscheidend

Energiegipfel in Raitenhaslach zeigt Sorgen der heimischen Industrie auf

BURGHAUSEN. Vertreter aus der Kommunal- und Landespolitik sowie aus der heimischen Industrie trafen sich zuletzt zum Energiegipfel im ehemaligen Kloster Raitenhaslach. Im letzten Jahr hatten die Vertreter des Chemiedreiecks nach einem 35-minütigen Stromausfall in Burghausen Alarm geschlagen. Beim aktuellen Stand in Sachen Energiewende sehen sie die Stabilität des Stromnetzes in Gefahr. MdL Ingrid Heckner organisierte daraufhin den Energiegipfel. Dr. Gerhard Wagner, Geschäftsführer der OMV Deutschland GmbH, machte die Kosten solcher Schwankungen deutlich: „Das hat in etwa 20 Millionen Euro gekostet. Solche Summen schmälern den Gewinn und damit auch Gewerbesteuer.“
Grundsätzlich sind sich alle einig, dass Wind und Sonne als erneuerbare Energiequelle auch in der Masse den Atomstrom ersetzen könnten. Am billigsten ist der Windstrom. In der Umsetzung bereiten zwei Punkte großes Kopfzerbrechen. Die Trassen, die das Chemiedreieck versorgen sollen, sind 800 Kilometer lang. „Es geht derzeit ohnehin schnell, aber bis alles komplett fertig ist, dauert es 10 bis 15 Jahre“, so TENNET-Vertreter Lex Hartmann. 2011 verkürzte die Kanzlerin dank Fukushima den Zeitraum der Energiewende von 2030 auf 2022. „Wir können bis 2025 mit allem fertig sein“, so Hartmann. Aber was passiert genau in der Zwischenzeit vom Abschalten des Kernkraftwerkes ISAR II im Winter 2021/22 bis 2025? Darauf müssen Politik und Wirtschaft eine Antwort finden. Eine Möglichkeit wäre, die bereits genehmigte neue Leitung von St. Peter am Hart über Simbach bis Burghausen zu errichten. 

Die Entscheidung 
liegt bei der EU

Die OMV wird diese nicht mehr bauen, weil das Projekt Kraftwerk Haiming gestorben ist. Der Grund für diesen Rückzug ist logisch. Als die OMV mit den Planungen begann, war von der hektischen Energiewende noch keine Rede. Ab 2011 stürzte sich alles auf erneuerbare Energien. Ein Kombikraftwerk mit einer sehr hohen Effizienz mutierte plötzlich zum roten Tuch. Es sollte – wenn überhaupt – nur als Sicherungskraftwerk bei Netzproblemen dienen. Damit schmolz die Rentabilität wie Eis in der Sonne. Staatlich finanzierte Ausfallkosten wurden seitens der Landesregierung diskutiert. Mehr aber nicht. Interessanterweise sind mittlerweile sogar wieder einst als Umweltfeinde bekämpfte Kohlekraftwerke geduldet, obwohl diese wesentlich mehr Dreck in die Luft blasen und wesentlich weniger effizient sind als Gaskraftwerke. Die Hauptsache ist, dass keine neuen Kraftwerke gebaut werden. Im Augenblick ändern auch wieder in Betrieb genommen Energieerzeuger nichts am Hauptproblem der Energiewende. 800 Kilometer lange Leitungen von der See bis Südostbayern sind weit. Technische Störungen, witterungsbedingte Ausfälle wie durch Stürme oder auch mögliche Terroranschläge sind Hindernisse, die es aufzufangen gilt. „Wir können den Sicherungsbedarf für diese Region nur berechnen. Die Lösungen liegen in anderen Händen“, so Lex Hartmann. Letztendlich entscheide die EU-Kommission über die Standorte solcher Reservekraftwerke, informierte Wirtschaftsstaatssekretär Franz-Josef Schierer. Und dabei reden auch die anderen EU-Länder mit, die ihren Strom gerne nach Deutschland verkaufen wollen. Von grüner Energie sind die meisten sehr weit entfernt. 

Zukunft im Blick behalten

Die Energiewende wird große Summen verschlingen. Die Windparks erhalten Gelder, wenn die Überproduktion abreguliert werden muss. Sie freuen sich dennoch über die Einspeisevergütung. Die 800 Kilometer vom hohen Norden nach Süden kosten viel Geld. Vor allem dann, wenn Horst Seehofer aufgrund von Anrainerprotesten die achtmal so teure Erdverkabelung präferiert. Erdleitungen verbrauchen sehr viel Land. Zudem sind sie in einer derartigen Länge nicht erprobt. Auch diese Erkenntnis ist kritisch fürs Chemiedreieck. Schon jetzt investieren die heimischen Industrien weniger als sie abschreiben. Sie realisieren damit mehr Erhaltungs-, denn Zukunftsinvestments. Derartige Zukunftsfinanzierungen ins Polysilicium, dem Grundstoff der Photovoltaik, brachten Burghausen und dem Landkreis mitten in der Wirtschaftskrise 2008 entgegen dem Trend Rekordeinnahmen. Die Unternehmen im Chemiedreieck erwirtschaften rund zehn Milliarden Euro und geben 20.000 Menschen einen direkten Job. Dazu kommt der starke Mittelstand mit mindestens genauso vielen Arbeitsplätzen. Im Gegenzug verbrauchen die Industrien vor Ort rund sechs Prozent des bayerischen Stroms. 

Grüne Kostenexplosion

Der ideologisch geprägte Hauruckstil bremst die Investitionen in unserer Region. Die OMV stieg aus dem Kraftwerks-/Leitungsprojekt aus, weil damit kein Geld mehr verdient werden kann. Nur wertschöpfende Projekte und Produkte sorgen aber für Kapital, das zukunftsweisend investiert werden kann. Die Kosten, die von 2015 bis 2025 für die Energiewende anfallen, bezifferte das Institut für Wettbewerbsökonomik auf 520 Milliarden Euro. Davon entfallen 407 Milliarden auf die EEG-Umlage. „In den Niederlanden kostet der Strom 5,5 Cent bei uns 19,5 Cent. Das geht auf Dauer nicht. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Süden mehr für den Strom zahlen muss als der Norden“, legt Dr. Bernhard Langhammer als Sprecher des Chemdelta Bavaria den Finger in die Wunde. Auch Netzbetreiber TENNET muss die Kosten für den Leitungsbau und den Energie-Transport refinanzieren. Ein weiteres Problem ist, dass in dieser Region die meisten Unternehmen direkt zusammenhängen, aber nur wenige von der EEG-Umlage befreit sind. „Dass sich hier etwas ändert, dafür setze ich mich in Berlin intensiv ein“, sagte Stephan Mayer beim Neujahrsempfang der Mittelstandsunion. Für ein eventuelles „Reserve-Kraftwerk“ würde die Wirtschaftsbeteiligungsgesellschaft der Stadt Burghausen monetär in die Bresche springen. „Wir sind dafür da, den Standort zu verbessern und zu sichern“, erklärt Anton Steinberger. Ohne das Engagement der Stadt wäre auch der Güterterminal im Marktler Wald nie zustande gekommen. (uk)