von Uli Kaiser
BURGHAUSEN. Die Abschiedstour des Burghauser Profifußballs findet unter sehr seltsamen Voraussetzungen statt. Eines kann an dieser Stelle zumindest deutlich unterschrieben werden: noch nie in den letzten zehn Jahren hatte Wacker Burghausen einen charakterlich derart guten Kader. Die Spieler halten zusammen und kämpfen sich auf diese Weise gemeinsam durch das finale Schlamassel, dass sich durch den Rückzug aus dem Profifußball zu Saisonende und dem Damoklesschwert „Vertrag Uwe Wolf“ ergeben hat.
Dass die Spieler nicht abschenken wollen, haben sie gegen Bayern München II(2:2) bewiesen. Genauso hat sich gezeigt, dass es eine Struktur im Spiel gibt. Diese hat allerdings nur 20 Minuten funktioniert. Danach passte das Timing zwischen dem richtigen Anlaufen des Gegners und einem dosierten abwartenden Rückzug nicht mehr. Nach der frühen SVW-Führung hätte sich niemand beschwert, wenn die Münchener drei- oder viermal getroffen hätten. Doch der Ausgleich aus dem Nichts küsste die Emotionen wieder wach und mit etwas Glück hätte es sogar zum Sieg reichen können. Schade eigentlich, sonst wären die Burghauser noch besser im Kampf um die Plätze vier bis sechs dabei gewesen. Das Potenzial dafür ist weiterhin vorhanden.
Alles reine Kopfsache
Es ist seltsam, dass aufgrund der Vereinspolitik plötzlich sämtliches Wissen um die Psychologie negiert wird. Jeder, sich mit echten Profis auf diesem Gebiet schon einmal intensiver unterhalten hat, sieht die Probleme, die langsam größer werden, eindeutig. Seit dem Frühjahr spielt die Mannschaft um die Goldene Ananas. Der Rauswurf von Uwe Wolf führte zu einer positiven Reaktion, die vieles übertünchen konnte. Der Teamgeist ist nicht angekratzt, aber jeder Einzelne ist sicherlich sehr stark mit sich selbst beschäftigt. Alle Spieler haben einen stark leistungsbezogenen Vertrag. Den sollten sie nach Möglichkeit nur bedingt in vollem Umfang erfüllen. Sicherlich ist Geld eine gewisse Motivation, aber sicherlich nicht die größte. Und genau an dieser Stelle wird es für die Köpfe der Spieler immer schwieriger. Einerseits sollen die Kicker am 27. Mai topfit sein, damit sie den DFB-Pokal klarmachen und 150.000 Euro in die Kasse bringen. Andererseits sind die besten und damit erfolgreichen Leistungen im finalen Ligabetrieb eher weniger optimal. Dazu kommt, dass viele Spieler, die zu großen Teilen noch jung sind, beruflich in der Luft hängen. Die wirklichen Stammkräfte finden einen anderen Club, wie beispielsweise Dominik Weiß. Um aber den optimalen Leistungszustand zu erreichen, müssen Gedanken, Spannung-, Gefühls- und Verhaltensebene im Lot sein. Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass in der seltsamsten Situation des Profifußballs dies so darstellbar ist, kann selbstredend mit sehr bis äußerst gering beantwortet werden. Genauso denken viele der treuesten Zuschauer, die sich in einer komischen emotionalen Lage befinden.
Schwere letzte Wochen
Weiter gefasst werden die letzten fünf Wochen sehr schwere werden. Allen voran für den neuen Trainer Patrick Mölzl. Er musste sich beim ersten Spiel in Buchbach harter Kritik der Fans erwehren. Sie warfen ihm eine falsche Aufstellung und falsche Wechsel vor. Damit zielten sie indirekt auf die oben beschriebene Sachlage ab. Mölzl konterte die Kritik mit Verletzungsproblemen und dem Ansinnen, jetzt auch Spieler ohne große Erfahrung, die aber nächstes Jahr dabei sind, testen zu wollen. Vor allem der zweite Punkt ist aus seiner Sicht durchaus nachvollziehbar. Allerdings kennen die Zuschauer die Gesamtproblematik und trauen der Sache nicht. Zudem werden die Zuschauer immer weniger. Das Interesse sinkt massiv. Diese Zuschauer wieder zurückzugewinnen, wird ein sehr, sehr schweres Unterfangen. Dabei ist die Reamateurisierung gar nicht das eigentliche Problem. Der Weg der Umsetzung stößt Zuschauern und Sponsoren sehr sauer auf. Die Spieler, die für die kommende Saison verpflichtet wurden, werden sich zu ganz großen Teilen sehr schwer tun, weil ihnen die Qualität für diese Liga fehlt. Jetzt sollen diese aber regelmäßig spielen, was zumindest einen Rhythmusverlust bei den Routiniers, die dann eher nicht zum Zug kommen, nach sich zieht. Der Weg bis zum 27. Mai ist noch lang. Zudem kann es sich als Bumerang erweisen, wenn ein Motivationsakku, der immer weiter nach unten gefahren wurde, nur für ein paar Stunden wieder auf Vollgas laufen soll. In den nächsten Wochen muss Patrick Mölzl beweisen, welche realistischen und für die Spieler nachvollziehbaren Konzepte er hat, damit der 27. Mai nicht zum Tag der Trauer, sondern zum Tag der Freude wird.