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Donnerstag, 29. September 2016

Zukunftsweisend: das ambulante Krankenhaus


Eine medizinische Versorgung auf finanziell sicheren Beinen führt mittelfristig zum Umbau der Kliniklandschaft


ALTÖTTING/BURGHAUSEN. Die Klinikreform, die der Bund per Gesetz auf den Weg gebracht hat, dient einerseits dazu Überkapazitäten bei stationären Betten zu reduzieren. Andererseits sind viele Vorgaben auch zukunftsweisend. Dabei sind vier Dinge von enormer Wichtigkeit: der medizinische Fortschritt, das immer höhere ambulante Aufkommen, die abnehmende fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum und die immer stärkere Spezialisierung im stationären Bereich. 

Das führt mittelfristig zum Umbau der Kliniklandschaft. Auch die Kreiskliniken Altötting-Burghausen müssen diesen Weg gehen, wenn sie sich auf finanziell sichere Beine bei gleichzeitig bestmöglicher medizinischer Versorgung stellen wollen. 

Die Entwicklung 
im Verbund

Das Kommunalunternehmen unterhält zwei Standorte. Seit 1985 ist die Klinik in Altötting ein gesetzlich verankerter Schwerpunktversorger. Das bedeutet, dass es in der Kreishauptstadt Fachbereiche gibt, die einen Großteil des südostbayerischen Raumes versorgen, mindestens aber wichtig für die Landkreise Altötting, Mühldorf oder Rottal-Inn sind. Burghausen ist ein gesetzlich definierter Grundversorger. Werden hier Spezialitäten wie die Gefäßmedizin entwickelt, die die Kraft haben zur Hauptabteilung zu werden, müssen sie per Gesetz nach Altötting verlagert werden. Das größere Haus steht für eine hocheffiziente und fachübergreifende Behandlung von schwierigen stationären Fällen. Burghausen ist für den Sektor vorbereiteter OPs, die wenig interdisziplinäre Kooperation benötigen, geradezu prädestiniert.  In den letzten Jahren hat sich das Haus in der Salzachstadt zu einer Hochburg ambulanter Medizin entwickelt. Die Unfall- und Handchirurgie verfügt ebenso über einen sehr guten Ruf wie die starke Rheumatologie, die alleine im letzten Jahr 6.500 Patienten anzog. Auch die Gefäßmedizin besitzt eine enorme Strahlkraft. Die neue Hauptabteilung macht schon alleine deshalb in Altötting Sinn, weil aufgrund der Größe und der Vielzahl an Fachabteilungen wesentlich mehr Operationen stattfinden. Der Gefäßspezialist muss bei Komplikationen schnell einsatzfähig sein, weil jede gewonnene Sekunde für den Patienten wertvoll bzw. lebensrettend sein kann. Da ist ein weiter Anfahrtsweg nicht förderlich. 

Neue Strukturen 
erlernen

 Durch die stetig verbesserten OP-Techniken wird der Körper des Patienten dank immer kleinerer Eingriffe im erheblichen Maße geschont. Damit nehmen die ambulanten Behandlungen zu. Wie rasant die Entwicklung voranschreitet, zeigt sich an der Unfallchirurgie der Kreiskliniken. Wie Chef Dr. Werner Wambach berichtet, sank die stationäre Verweildauer innerhalb des letzten Jahr um 0,6 auf 5,8 Tage. Da die Patienten mittlerweile gerne den Gang zum Haus- bzw. Facharzt meiden und sofort in die Notaufnahmen der Kliniken gehen, arbeiten diese am Anschlag. Dadurch waren bzw. sind die Krankenhäuser gezwungen, eine steigende Zahl ambulanter Behandlungen vorzunehmen. An dieser Stelle beißen sich allerdings die gesetzlichen Vorgaben. Die ambulanten Aufgaben sollen im Grunde von niedergelassenen Ärzten wahrgenommen werden. Außerdem liegt dieser Betreuung eine andere Vergütung zugrunde. Auf der anderen Seite wird es immer schwieriger Krankenhäuser, die nur auf Grundversorgung ausgerichtet sind, vernünftig zu finanzieren, weil der volle Kostenumfang der stationären Behandlungen nicht erstattet wird. Das liegt am Fallpauschalensystem (DRG), das die Vergütung nicht anhand des tatsächlichen Aufwandes, sondern anhand der Fallschwere festmacht. Ambulante Behandlung bei Fachärzten werden grundsätzlich nach dem entstandenen Aufwand berechnet. Jetzt hat der Gesetzgeber reagiert und damit eine Reform der Kliniklandschaft angestoßen. „Aufgrund der neuen Gesetzeslage können wir nun ambulante Strukturen in ein Krankenhaus einfügen. Selbstverständlich müssen alle neue Abläufe lernen, aber dieser Zukunftsweg kann auch von uns nicht ignoriert werden“, erklärt Verwaltungsleiter Robert Moser. 

Burghausen
sinnvoll nutzen


In den nächsten rund sieben Jahren erfüllt der Standort Burghausen vornehmlich noch seine Rolle als Akuthaus mit einer Chirurgie, einer inneren Abteilung und einer Notaufnahme. Doch schon jetzt spüren alle Verantwortlichen den Drang nach einer Entwicklung hin zum ambulanten Zentrum. Unter Dr. Martin Feuchtenberger hat sich die ambulante Rheumatologie extrem positiv entwickeln. „Seit April haben wir mit Dr. Ernest Knöckl eine Praxis für Unfallchirurgie mit dem Schwerpunkt Orthopädie im Haus“, sagt Robert Moser. Er freut sich über die Zusammenarbeit mit dem bestehenden Team aus der Notaufnahme und erklärt weitere Vorteile: „Wir haben alle wichtigen Diagnosegeräte im Haus, die auf diese Weise mittelfristig immer besser ausgelastet werden. Außerdem entwickeln wir uns zum einem ambulanten OP-Zentrum hin, welches zukünftig von niedergelassenen Ärzten noch intensiver genutzt wird.“ Damit werden die Kosten, die die wichtigen, aber finanzintensiven Geräte verursachen, immer besser gedeckt werden.

Viel Nutzen für 
den Landkreis

 „Wenn alles unter einem Dach ist, dann sind die Wege für die Patienten zu Diagnosen, bei der Behandlung und Nachbehandlung viel kürzer und angenehmer“, so Moser. Alle niedergelassenen Ärzte sind zusätzlich noch als Teilzeit-Oberärzte am Kommunalunternehmen tätig. Diese neuen Wege werden auch in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung beschritten, die die neuen Sitze für Fachärzte genehmigen muss. Wie die Universitätsklinik Rostock in einer Studie herausgefunden hat, wird es in Zukunft noch mehr Fachbereiche geben, die den ambulanten Weg gehen werden. Außerdem seien ambulante OP-Zentren ein Weg der Zukunft. Die HNO, die Augenheilkunde, die Viszeralchirurgie seien schon jetzt dafür prädestiniert. Genauso wie die Unfall- und Handchirurgie. Dieser Komplex verfügt im Landkreis über sehr viel hochqualifizierte Fachkompetenz. Die neuen Lösungen bieten viele Vorteile. Es entsteht eine sinnvolle und auch gesetzlich akzeptierte nachhaltige Verzahnung des medizinischen Angebotes für den Landkreis Altötting. Auf diese Weise können auch Lücken in der fachärztlichen Versorgung geschlossen werden. Zudem steht die Finanzierung der stationären wie auch der ambulanten Behandlung auf wesentlichen sicheren Beinen, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Der gesamte Prozess steht am Anfang. Sowohl die Mitarbeiter, als auch die Verantwortlichen und niedergelassenen Ärzte müssen sich erst Schritt für Schritt an die neuen Abläufe und Kommunikationswege gewöhnen. (uk)