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Donnerstag, 6. Juli 2017

Die Alz, ein fischreicher Fluss in „unvordenklichen“ Zeiten


























Die Alz, der einzige Abfluss des Chiemsees, war über viele Jahrhunderte hinweg erheblich eingestaut



von Günter Geiß

REGION. Das Werch in der Alz bei Seebruck, eine große selbsttätige Fischfanganlage, wurde bereits 1445 erwähnt, wobei es zu einer vertraglichen Regelung zwischen der Äbtissin von Frauenchiemsee und den Herren von Truchtlaching und den Fischern von Trostberg kam. Danach ist es der Äbtissin gestattet, zeitweise während der Laichwanderung dem Werch ein Sperrnetz vorzusetzen, um Gratlinge, Nasen, Perlfische und Mairenken abzufangen. Werche sind Fischfanggroßanlagen und sind auch unter der Bezeichnung Fachen, Bschlächt oder auch als Ärch bekannt. Die Fische geraten in die Fangkammern des Werchs, aus denen es kein Entrinnen mehr gab und sie herausgeschöpft werden konnten. 

Die Alz seit jeher eine
Nahrungsmittelquelle


Die Alz war schon seit „unfürdenklichen Zeiten“ mit Werchen, Fischzäunen und anderen Fischfanganlagen auf ihrer gesamten Länge bis zur Einmündung in den Inn verbaut und aufgestaut. Damit sich in diesem verarchten Fluss die Fische überhaupt noch flussauf und flussab bewegen konnten, waren an den Werchen sogenannte Bannlucken vorgeschrieben. Diese Bannlucken waren Öffnungen in den Verzäunungen mit einer vorgeschriebenen Breite. Diese Zwangsöffnungen wurden mit Steinplatten ausgelegt, um Auskolkungen durch die starke Strömung zu verhindern. Die Bannlucken mussten bis auf den Grund offenbleiben, durften aber bei Niedrigwasser mit Querbäumen verschlossen werden, um das Wasser zum Betrieb der Mühlräder auf die notwendige Höhe anzustauen. 
Das Aufstauen der Alz von der Innmündung bis zum Chiemseeauslauf bei Seebruck diente nämlich nicht nur den Fischfanganlagen, sondern auch dem Betreiben der zahlreichen Mühlen. Im Zusammenhang mit den Verbauungen der Alz gab es strenge Vorschriften, die auch streng überwacht wurden. Die Alz spielte als Nahrungsmittelquelle eine bedeutende Rolle und das Recht auf Fischfang war strengen Regeln unterworfen, was ein Blick in alte Dokumente zeigt. Die Herrschaft von Wald an der Alz hatte nach einem Dotationsbrief aus dem Jahr 1508 „All Vischereyen und Vischnetz“. Dieses Fischereirecht erstreckte sich von „Burckhering“ weiter durch die Hofmark Garching bis Burgkirchen. Damals waren in diesem Bereich fünf Herrschaftsfischer angestellt, die durch Erbbrief in ihr Amt eingesetzt wurden. Die Betroffenen mussten dafür „vier Pfund schwarzer Münz samt einen Viertel Wein ausgeben oder ein Dienst an die Herrschaft verrichten.“ Über viele Jahrhunderte galt der Fischreichtum der Alz als sprichwörtlich. Besonders Äschen, Hechte, Huchen, Forellen, Barben, Nasen und Schiede gab es in großen Mengen. Auch damals war das Größenmaß der einzelnen Fischarten und die Größe der Fischnetze vorgeschrieben.

Kampf um den 
Fischbestand

Mit ihren zahllosen Verarchungen, Fischzäunen, Werchen und Mühldämmen übte die Alz viele Jahrhunderte lang einen erheblichen Einfluss auf die Wasserhöhe des Chiemsees aus. Die Alzfischereiordnung regelte zudem durch die Bannlucken und Zwangsöffnungen in den Fischzäunen und Wehren nicht nur die optimale Fischerei und den Lauf der Fische, sondern auch die Stauhöhe innerhalb der Wehre vom Inn bis hinauf zum Chiemsee. Die Fischereiordnung von 1602 beschäftigte sich mit der Handhabung der Werche und Ärchen bei Seebruck, da im Laufe vieler Jahrhunderte rücksichtslos während der Laichwanderung Grätlinge, Nasen, Perlfische und Schiedlinge herausgefischt wurden und der Fischbestand fast vollständig vernichtet wurde. 
Unter Umgehung der bisherigen Regelungen wurde eine neue Fangmethode erdacht und durchgeführt. Wegen des Ausbleibens der großen Laichzüge, zurückzuführen auf den bisherigen rücksichtslosen Raubbau an den Laichfischbeständen, wurde 1677 ein neuer Vertrag geschlossen, der den neuen Verhältnissen besser angepasst sein sollte. Immer öfter wurden große Laichfischschwärme mit einem Streichnetz, einer Netzwand mit Schwimmern und Senkern, eingeschlossen, indem dieses flussabwärts vor einem Werch gegen ein quer über den Fluss gespanntes Netz, dem sogenannten Wadt, herangezogen wurde. Die Fische gerieten schließlich in den engmaschigen Zugnetzsack. Diese „Verbesserung“ der Fangmethoden bewirkte eine noch rücksichtslosere Dezimierung der Wanderfische. 1778 wollte das Frauenkloster unbedingt die Rechte in der Alz im Bereich des Werchs erzwingen, was jedoch von der Regierung in Burghausen abgelehnt wurde. Zu enge und zu viele Reusen und viele andere Fanggeräte waren die Ursache dafür, dass der Bestand an Nasen, Grätlingen, Perlfischen und Mairenken immer mehr abnahm und schließlich so weit vernichtet wurde, dass sich der Betrieb der Werche und andere Fangmethoden nicht mehr lohnten. 

Absenkung des
Wasserspiegels


Aus einem Fischmeisterbericht geht hervor, dass es im Jahre 1771 mit dem Werch am Chiemseeauslauf in die Alz endgültig zu Ende war. In den folgenden Jahren hatte der Verfall des Werches für den Chiemsee und seine Fischer ungeahnte Folgen. Das Werch in Seebruck hatte mit den vielen weiteren Werchen, Archen, Wuren und Fischzäunen weiter flussabwärts den gesamten Chiemsee seit vielen Jahrhunderten angestaut und diesen erhöhten Wasserspiegel auch gehalten. Mit dem Verfall der Werche lief nun der See immer mehr aus und ganz allmählich fiel der Wasserspiegel des Chiemsees. Die vielen weiteren bestehenden Fischzäune ließen ein schnelles Ablaufen des Wassers nicht zu. Aber im Laufe von vielen Jahrzehnten fielen immer größere Flächen des Chiemsees, die vorher mit Wasser bedeckt waren, trocken.
Der Fischermeister Oswald beklagte sich in seinen Berichten 1802 und 1808 bei seiner vorgesetzten Dienststelle in Burghausen über das weitere Trockenfallen riesiger Gebiete im Grabenstätter und Feldwieser Winkel und anderen Orten im Chiemsee. Was er nicht wusste, die Tieferlegung des Chiemsees war seitens der Regierung von Oberbayern eine schon längst beschlossene Sache. In einer weiteren Regierungsentschließung von 1808 wird „befohlen, auch die unterhalb Seebruck in die Alz geschlagenen Stecken und Verzäunungen herauszureissen und so dem Alzfluß den gesperrten Rinnsal wieder zu öffnen.“ Von nun an ging das Absenken des Sees rascher vonstatten. Dennoch ging im Jahre 1820 abermals von der Landesregierung an das Hofmeisteramt in Trostberg der Befehl, dass sämtliche neue und alte Fischzäune und Reste der alten Werche aus dem gesamten Alzflussbett umgehend zu entfernen seien. Trotz massiver Proteste der Bevölkerung und auch der Fischereifachleute wurde durch weitere Regulierungsarbeiten 1902 bis 1904 der See um weitere 60 Zentimeter abgesenkt. 

Die Alz in ständiger
Veränderung

Die Alz war über viele Jahrhunderte hinweg erheblich höher als heute und war verträglicher für die salmonidenartigen Fische. Der gestaute Fluss entnahm wesentliche Wassermengen aus den tiefen Schichten des Chiemsees und war in den Sommermonaten deutlich kühler als heute. Die Alz hatte damals die Eigenschaft eines gesunden Niederungsflusses mit einem artenreichen Fischbestand. Es waren genügend Unterstellplätze, Laichplätze für Kieslaicher sowie für Krautlaicher vorhanden. Nach der letzten Absenkung Anfang des 20. Jahrhunderts war die Alz ein Fluss besonderer Art geworden, da ihre Wassertemperatur jetzt extremen Schwankungen unterworfen war. Der Fluss bezieht jetzt im Gegensatz zum früher angestauten Fluss sein Wasser ausschließlich vom Oberflächenwasser des Chiemsees. Im Winter ist dieses Wasser extrem kalt, etwa um 0 Grad, im Sommer dagegen bis 28 Grad warm.

Wasserableitungen 
aus der Alz

Aufgrund ihres relativ großen Gefälles kam es immer wieder zu Hochwässern und so wurde die Alz zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgebaut, sodass der verzweigte Flusslauf mit seinen Furkations- und Umlagerungsstrecken zu einem gestreckten und eingetieften Gewässerlauf verkam. Mit der Regulierung der Alz wurden gleichzeitig 1913 bis 1923 die Alzkanäle zwischen Tacherting-Hirten und Hirten-Burghausen gebaut. Nach Altenmarkt bis zur Mündung in den Inn gibt es vier dauerhafte Wasserableitungen, sodass die Flussabschnitte unterschiedliche Wasserführung aufweisen können. Da in Hirten noch eine größere Menge Wasser in den Kanal geleitet wird, verbleibt nur noch wenig Restwasser im eigentlichen Fluss bis zur Mündung in den Inn.

Veränderungen im 
Fischbestand

Da der Fluss von kalten Quellflüssen gespeist wird, man eine große Wassermasse weggenommen hat und das Restwasser ab Hirten von kalten Quellzuflüssen gespeist wird, hat er wieder kühles Wasser und ist zur Äschenregion mit verschiedenen Strömungsabschnitten geworden, wobei die Grenze zur Barbenregion verwischt ist. Heute fängt man von Hirten bis zur Mündung in den Inn Barben, Aitel, eingesetzte Bach- und Regenbogenforellen und ab und zu auch mal einen Hecht. Der Äschenbestand, obwohl ganzjährig geschont, erreicht durch den Fraßdruck Fische fressender Großvögel, durch Abwasser-einleitungen und durch die in letzter Zeit, bedingt durch die Klimaerwärmung, viel zu hohen sommerlichen Wassertemperaturen nicht mehr die Populationsstärke wie noch vor einigen Jahrzehnten. So manche Kieslaicher wie Barben und Nasen wandern alljährlich im Frühjahr vom Inn herauf zu ihren Laichplätzen, bleiben meist den Sommer über in geeigneten Gewässerstrecken und ziehen sich im Herbst in tiefe Gumpen zurück oder wandern wieder zurück in ihre Winterquartiere in den Inn. Möge das verbleibende Restwasser in der Alz den Fluss im Naturschutzgebiet unterhalb Emmerting naturnah erhalten.