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Donnerstag, 9. Juli 2015

Wasser aus der Leitung?



Ein kritischer Blick auf die Wasserversorgung des Landkreises Altötting und den Bezirk Braunau

von Alexandra Christl-Heim

REGION. Trinkwasser ist unser Lebensmittel Nummer Eins, das durch nichts ersetzt werden kann. Daher ist es nur verständlich, dass wir uns Sorgen um das Vorhandensein und die Qualität des kostbaren Gutes machen. Der Inn Salzach Kurier hat sich auf die Spuren des Trinkwassers in der Region begeben und einige Daten und Fakten gesammelt.
Ein heißer Sommertag – 30 Grad im Schatten – jetzt schnell ein Glas kühles Wasser aus der Leitung zum Erfrischen! Das ist in unserer Region (noch!) ohne Bedenken möglich. Doch das Thema Trinkwasser sorgt immer wieder für zum Teil emotionale Diskussionen.
Auch wenn die Situation in Burghausen vorerst durch die Lieferung einwandfreien Wassers aus dem Weilhartsforst entspannt ist, bleibt die Belastung des Grundwassers ein ernstes Thema.

Ernste Situation 
im Landkreis Altötting

Etwa die Hälfte des Landkreises Altötting bezieht Trinkwasser vom Grundwasserkörper Inn III2A. An neun Messstellen wurden Nitratwerte von mehr als 40mg/l (Milligramm pro Liter) gemessen. Dieser Wert liegt zwar noch unterhalb des von der EU angesetzten Trinkwasser-Grenzwertes von 50 mg/l, hinzu kommen aber auch noch zum Teil weitere Belastungen durch Pflanzenschutzmittel (PSM) und Perfluoroctansäure (PFOA).
Die Stadt Burghausen betreffen diese Probleme wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten nicht, da sie seit 2007 sauberes Wasser aus dem benachbarten Weilhartsforst bezieht. Die Nitratwerte liegen hier mit Stand November 2014 (laut Wasserwerk Burghausen) bei 11,7 mg/l, Pflanzenschutzmittel und PFOA sind nicht nachweisbar.
Seit vielen Jahren plagt sich jedoch die Gemeinde Töging mit erheblichen Problemen der Wasserversorgung. Der Ausbau von Industrie- und Gewerbegebieten hat das Wasserschutzgebiet stark in Mitleidenschaft gezogen, eine Aufrechterhaltung der selbstständigen Versorgung ist voraussichtlich nicht mehr möglich. Zu Beginn des Jahres wurde daher beschlossen, einen Anschluss an die Wasserversorgung der Stadt Altötting anzustreben.
Dort wird das Trinkwasser bereits aus dem nächsten Grundwasserleiter, das heißt aus Tiefbrunnen, bezogen.  Die gemeinschaftliche Wasserversorgung von Altötting, Neuötting und Winhöring hat insgesamt fünf Brunnenanlagen. Das Grundwasser wird aus drei Tiefbrunnen, die nahe dem Wasserwerk Altötting an der Osterwies liegen, gefördert. Im nahe gelegenen Staatsforst Altötting liegen zwei Brunnen aus dem 1. Grundwasserstock. 

Nitratwerte trotz
Schonprogramm schlecht


Gibt es überhaupt noch Bemühungen, die eigene Wasserversorgung wieder herzustellen?
„Die Hoffnung besteht, dass sich die Qualität des Wassers im Schutzgebiet in Bergham verbessert“, berichtet Grünen-Stadtrat Gunter Strebel. Die Brunnen werden nach wie vor weiterbetrieben und stellen auch eine Notwasserversorgung dar.
Das Schonprogramm, wofür Burghausen den Landwirten seit vielen Jahren Ausgleichszahlungen leistet, läuft ebenfalls weiter. Die Landwirte würden sich auch an die Maßnahmen halten, erläutert Strebel: „ Der Boden wurde schon im Jahr 2002 bis neun Meter Tiefe untersucht, Proben zeigten im Durchschnitt 25 Milligramm pro Liter Nitratbelastung, außerhalb des Schutzgebiets wurden 60 bis 70 Milligramm pro Liter gemessen.“ Dazu kommt, dass das Wasserschutzgebiet nicht nur dem Grundwasser, sondern auch dem Oberflächenwasser dient, wie Strebel erklärt: „Schließlich baden wir im Wöhrsee in unserem ehemaligen Trinkwasser.“

Nitratbelastung 
ein generelles Problem

Doch was nützt es, wenn sich die Stadt Burghausen um den Grundwasserschutz kümmert, von außen aber die Belastung hereindrängt?
„Das Problem sind tatsächlich zu kleine Schutzgebiete. Grundwasserschutz sollte flächendeckend sein“, fordert Gunter Strebel. Er sieht das Trinkwasserproblem aber noch weiterreichender, ja sogar global: „Nicht die Bauern sollten an der Pranger gestellt werden, die Landwirtschaft ist nur das Spiegelbild der Gesellschaft, wie wir mit Ressourcen umgehen.“ Die Gesellschaft müsse sich fragen, ob billigste Lebensmittel auf Kosten der Wasserqualität gehen dürfen. Auch der Klimawandel, sinkende Grundwasserspiegel oder die vermehrte Nutzung des Grundwassers für industrielle Zwecke zeigen, dass es ein Problem gibt - nicht nur auf Landkreisebene.

Trinkwasserversorgung
aus dem Weilhartsforst


Damit werfen wir einen Blick über die Grenze, in den benachbarten Bezirk Braunau: Mit der Qualität des Grundwassers gibt es hier keine Probleme.
Unter dem Weilhartsforst befindet sich ein mächtiges Grundwasserreservoir, das durch die Landwirtschaft nicht belastet wird.
Die Gemeinde Überackern liegt in diesem Trinkwasserschongebiet Weilhart. Sie verfügt über keine zentrale Trinkwasserversorgung, bis auf den Ortsteil Weng, der an Hochburg-Ach angeschlossen ist. Die meisten Häuser haben in Überackern eigene Brunnen. Dennoch ist Wasser auch bei den Überacker Bürgerinnen und Bürgern ein wichtiges Thema: Die Trinkwasserversorgung von Burghausen aus dem Weilhartsforst wurde nicht ohne Kritik hingenommen. Denn wo an einer Stelle Wasser entnommen wird, fehlt es möglicherweise an anderer Stelle. Tatsächlich sind in den Gemeinden am Weilhart in den vergangenen Jahren immer wieder Brunnen ausgetrocknet, ob dies faktisch im Zusammenhang mit der Wasserentnahme für die Versorgung der Stadt Burghausen steht, konnte aber nicht bewiesen werden.

Sorge ums Wasser in 
der Bevölkerung wächst

Fakt ist dagegen, dass im Weilhartsforst eine Grundwasserneubildung von 1.600 bis 1.700 Liter pro Sekunde (l/s) stattfindet. Die Trinkwasserversorgung von Burghausen benötigt ca. 40 Liter pro Sekunde, Wacker entnimmt Oberflächenwasser aus dem Mühlbach in der bewilligten Menge zwischen 800 und 1200 Liter pro Sekunde.
Derzeit ist allerdings die Qualität des Mühlbaches in der Diskussion, wie Über-ackerns Bürgermeister Horst Patsch bestätigt: „Unser Oberflächenwasser hat bestätigte Trinkwasserqualität, aber Schwebeteile verursachen ein Problem, das mit bisherigen Reinigungsverfahren nicht mehr ausreichend behoben werden kann.“ Wacker will deshalb auf Grundwasser aus dem werkseigenen Brunnen und damit auf das örtliche Grundwasser in Haiming zurückgreifen. Und auch in diesem Fall kommt bei der Bevölkerung wieder eines deutlich zum Tragen: Die Sorge, dass Wasser knapp werden könnte – immerhin geht es um 1,3 Milliarden Liter im Jahr, die Wacker zur Kühlung benötigt.

Notwasserversorgung 
für die Stadt Braunau

Eine weitere, sehr emotionale Diskussion hat vergangenes Jahr die Stadt Braunau auf den Plan gerufen mit dem Vorhaben, im Weilhartsforst einen Brunnen zur Notversorgung einzurichten. Zur Situation: Braunau wird von zwei Brunnen im Lach-
forst versorgt, wurde aber vom Land Oberösterreich aufgefordert, eine Notversorgung zu errichten. Dafür waren ein Brunnen im Weilhartsforst und eine Wasserleitung nach Braunau geplant. Die Befürchtungen und der Widerstand der Anrainer entlang der geplanten Leitung waren vorprogrammiert: Zum Einen kommt auch hier wieder die Angst der Hausbesitzer um ihre Brunnen hoch, zum Anderen befürchten die Landwirte hohe Auflagen, wenn ihre Flächen zu Wasserschutz-Zonen erklärt werden. 
Zwischenzeitlich wurde das Brunnen-Projekt zurückgezogen, erklärt Horst Patsch, der als Obmann des Wasserverbandes Weilhart (WVW) auch involviert war: „Jetzt sind zunächst einmal Pumpversuche geplant, um zu sehen, wie sich der Wasserspiegel überhaupt verhält.“ Der Wasserverband Weilhart hat sich nach kontroversen Diskussionen dem Projekt angeschlossen: „Auch für unsere Gemeinde ist eine Versorgung im Notfall wichtig.“ Ein Trinkwasserversorgungskonzept, das vom Land Oberösterreich gefördert wird, sei derzeit in Ausarbeitung, so Patsch. Dem Obmann des Wasserverbandes Weilhart ist es zudem besonders wichtig, dass die Wasserversorgung auch in Zukunft von den Kommunen oder der öffentlichen Hand sicher gestellt wird: „Trinkwasser darf nicht als Ware gehandelt werden!“, betont Horst Patsch, womit er wohl mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie d‘accord geht, wo es in einem vielzitierten Satz heißt: „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“


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Schleichende Vergiftung
Nitrate, ein generelles Problem

REGION. Alles, was Landwirte auf ihren Feldern verteilen, erreicht irgendwann das Trinkwasser. Je nach Bodenbeschaffenheit kann dies schnell gehen oder auch lange dauern. Laut Experten, auch mal bis zu einem Jahrhundert, bis dicke Lehmschichten die Oberfläche mit dem Grundwasser trennen – jedoch nur  wenige Jahre, bis sie unter ein paar Lagen Sand oder karstigem Boden messbar ist. Grobe Stoffe bleiben auf dem Weg durch die Erdschichten hängen. Das Problem: Nitrat aus tierischen Exkrementen hingegen ist eine sehr bewegliche Verbindung – Sand und Humus erfüllen dabei keinerlei Filterfunktion. 
Die Stickstoffverbindung entstammt aber nicht nur aus Gülle, sondern auch aus künstlichen Düngern in der Landschaft oder sickert aus unzureichend abgedichteten Silagesilos. Gärreste aus Biogasanlagen, die auf den Äckern landen, tun ihr Übriges. Sehr viele ober- und unterirdische Gewässer in Deutschland und Österreich sind bereits hoch belastet.

Krebserregend

Nitrat wird im Magen zu Nitrit, das die roten Blutkörperchen zerstört, die dann keinen Sauerstoff durch den Körper transportieren können. Dadurch kann bei Säuglingen eine lebensbedrohliche Veränderung des Blutes hervorgerufen werden, zu erkennen an der bläulichen Verfärbung der Haut. Außerdem reagiert das Nitrit im Magen mit lebenswichtigen Nahrungsbestandteilen zu Nitrosaminen, die als krebserregend gelten 
In Deutschland und Österreich liegt der Grenzwert für Nitrate im Grundwasser bei 50mg/l. Viele Grundwässer liegen deutlich darüber. Fachleute sind der Meinung, dass der Nitrat-Grenzwert noch deutlich niedriger angesetzt werden sollte. Die Schweizer Trinkwasserverordnung z.B. enthält einen Grenzwert von 25 mg/l. (mw)
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Kommentar
Wir machen uns zuwenig Gedanken


Trinkwasser ist für uns Menschen lebensnotwendig. Unser Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser, welches über die Lungen in Form von Wasserdampf, durch die Nieren in Form von Urin, durch die Haut in Form von Schweiß und letztlich auch über den Darm ausgeschieden wird.  
Doch Wasser ist nicht nur unabdingbar für alle Lebensprozesse des Menschen sondern für jede Art von Leben auf diesem Planeten. 71 Prozent der Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt, aber nur 3,5 Prozent davon sind für uns als Süßwasseranteil genießbar. Und hiervon steckt die Hälfte in den Polen unserer Erde.
Wen in unseren Breitengraden der Durst plagt, der kann sich bedenkenlos am Wasserhahn bedienen. Die kommunalen Wasserwerke sorgen dafür, dass uns genügend Trinkwasser zur Verfügung gestellt wird und seine Qualität den Anforderungen entspricht. Doch das wird immer schwieriger. 
Unsere Gesellschaft ist geprägt von einer Selbstverständlichkeit,  in der sich die wenigsten über Zusammenhänge Gedanken machen. Was viele nicht wissen: Vor allem die Produktion von Fleisch- und anderen Tierprodukten ist extrem wasserintensiv. Fleisch, Milch und Eier gehen den ressourcenintensiven Umweg über Futtermittel aus Getreide und Ölsaaten vom Acker. Bis zu 15.000 Liter Wasser werden für Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch benötigt. Der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast sowie die Ausbringung von Gülle belasten das Grundwasser auf direkten Weg mit jahrzehntelanger Verzögerung – eine tickende Zeitbombe.
Doch den Bauern allein dafür die Schuld zu geben wäre falsch. Schuld ist unser eigenes Konsumverhalten. Die Fleischproduktion in Deutschland hat sich seit den 1950er-Jahren verdreifacht – weltweit sogar vervierfacht. Bis zu 87 Kilogramm Fleisch entfallen auf den Durchschnittsdeutschen, davon verzehrt er 60 Kilogramm. Allein in Deutschland werden pro Jahr 750 Millionen Tiere (das sind zwei Millionen am Tag) geschlachtet. Die enorme Menge an Gülle, die in dieser Tierproduktion entsteht, belastet überregional unsere Gewässer. Der Ruf nach einem flächendeckenden Gewässerschutz wird laut – ist aber in der derzeitigen Situation noch nicht zu realisieren.
Aber letztendlich haben wir Konsumenten es in der Hand, was wir unseren Nachkommen hinterlassen.